Bekämpft, verboten und gefeiert – Wer ist die Hisbollah?

Politische und militärische Macht

Die Bundesregierung ließ letzte Woche das „Islamische Zentrum Hamburg“ und die angeschlossene „Blaue Moschee“ von bewaffneten Polizisten stürmen und räumen. Der Vorwurf, den Innenministerin Faeser auf X verkündete: Das Zentrum sei verfassungsfeindlich und: es habe enge Beziehungen zur Regierung des Iran und zur Hisbollah. Der Krieg zwischen der Hisbollah und Israel dürfte wohl Auslöser der Aktion gewesen sein.

Im Westen gelten mittlerweile alle – auch soziale – Organisationen der Hisbollah als terroristisch. Die Arabische Liga hatte 2016 im Krieg gegen Syrien und vor allem auf Druck der Golfstaaten die Hisbollah als terroristische Organisation eingestuft. Doch seit Juli gilt der Liga die Hisbollah nicht mehr als terroristisch.

Im Libanon sitzen ihre Abgeordneten im Parlament, sie ist je nach Wahlergebnis Teil von Regierungen und tritt für die Stabilität des Staates ein. Sie strebt eine islamische Republik an – aber nur, so die offizielle Position, wenn die Mehrheit der Menschen im Libanon das unterstützt.

Schon vor fast 20 Jahren schrieb das UN-Büro für die Koordinierung humanitärer Aufgaben, die „Partei Gottes“ verfüge nicht nur über eine politische und militärische Organisation, sondern rühme sich auch eines breiten sozialen Entwicklungsprogramms. Mit vier großen Krankenhäusern, zwölf Kliniken, zwölf Bildungseinrichtungen von Grundschule bis Universität und zwei Landwirtschaftszentren, die technische Unterstützung und Ausbildung anbieten, erfüllte die Hisbollah Aufgaben, die eigentlich der Staat erfüllen sollte.

Die tiefe Kluft zwischen den westlich orientierten Teilen der libanesischen Gesellschaft und den Teilen, die sich nach Iran und Syrien wenden, blockiert immer wieder das Land. Während der Proteste 2019/2020 gegen die Untätigkeit des Staates, gegen Korruption, gegen Wirtschafts- und Finanzkrise rief die Hisbollah immer wieder zur Mäßigung und zum Erhalt des Staates auf.

Diese konservative Haltung entspricht ganz ihrem Selbstverständnis. Ein Umsturz oder gar Bürgerkrieg im Libanon würde, wie die Hisbollah meint, nur Israel nutzen.

Ausgangspunkt für die Bildung der Organisation war die Besetzung des Libanon durch Israel 1982. Der Krieg mit 20.000 Toten, die Belagerung von Beirut, die Vertreibung der PLO brachte Mitglieder der schiitischen Amal-Bewegung dazu, sich abzuspalten. Im Sommer 1982 gründeten sie die Hisbollah.

Die „Partei Gottes“ trat für den bewaffneten Kampf gegen Israel, die USA und ihre Verbündeten ein. Zu Anschlägen bekannte sie sich nicht selbst, unterstützte sie aber. In einem 33-tätigen Krieg lehrte sie 2006 Israel das Fürchten. Zwar konnte die israelische Luftwaffe die Hochburgen der Hisbollah in Beirut und im Süden des Landes in Schutt und Asche legen – aber nicht die Kommunikation der Organisation und ihre militärischen Fähigkeiten zerstören. Der Krieg endete mit einem Waffenstillstand, dem verstärkten Einsatz von UN-Soldaten und einem Andauern des Status Quo.

Jahre später, während der tiefen Wirtschaftskrise im Libanon, gelang der Hisbollah ein Coup. Sie erwarb eine ganze Schiffsladung mit Treibstoff und Heizmaterial und verteilte es im Libanon. Die Aktion war so erfolgreich, dass die US-Botschafterin ihrerseits versprach, eine Pipeline bauen zu lassen, mit der die Energiekrise des Libanon gelöst werden sollte.

Die Unterstützung Syriens im Krieg, die Kämpfe in den Bergen, in der Wüste und in Städten ließ die Hisbollah erstarken. Sie wurde zu einer regionalen politischen und militärischen Macht mit zielgenauen Raketen und Drohnen – und unerwarteten Fähigkeiten der Informationssammlung. Seit dem 8. Oktober herrscht ein intensiver Krieg überwiegend auf einem schmalen Streifen zwischen Libanon und Israel – zur Unterstützung von Gaza, wie die Hisbollah erklärt. Eine Verantwortung für den Angriff auf Zivilisten auf dem Golan weist die Organisation zurück.

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"Politische und militärische Macht", UZ vom 2. August 2024



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