„Reklame für den Krieg“

Christoph Hentschel im Gespräch mit Arnold Zahn

Nach dem öffentlichen Gelöbnis der Bundeswehr vor dem Bundestag in Berlin marschierten am Montag im Münchener Hofgarten Soldatinnen und Soldaten auf. Ein Bündnis aus Initiativen, Gruppierungen und Parteien mobilisierte gegen das Militärspektakel. Sie forderten das Ende der Auslandseinsätze und aller Rüstungsexporte sowie die Zerschlagung der rechten Netzwerke in der Bundeswehr. „Sozialleistungen erhöhen, Militärausgaben reduzieren“, hieß es im Aufruf. UZ sprach mit Arnold Zahn, der die DKP im Bündnis vertrat.

UZ: Wie verliefen die Proteste?

Arnold Zahn: Rund 350 Gelöbnisgegner waren dem Aufruf von Friedensinitiaven und Linkspartei, SDAJ und DKP gefolgt. Das Bündnis getragen hat Thomas Lechner, der für die Partei „Die Linke“ zur Oberbürgermeisterwahl antritt. Das Gelöbnis fand an einem Kriegerdenkmal im Hofgarten der Münchner Residenz statt. Den Gelöbnisgegnern war von der Polizei untersagt, den Hofgarten zu betreten. Wir versammelten uns vor der Feldherrnhalle gleich neben dem Hofgarten. Von einem Leiterwagen spielten wir Musik und Reden. Die Lautsprecherboxen waren sehr hoch angebracht, damit der Schall über die Mauer zwischen Feldherrnhalle und Hofgarten hinwegstrahlt. Man musste ja im Hofgarten hören können, dass da welche sind, die was dagegen haben.

UZ: Wer sprach bei den Gelöbnisgegnern?

Arnold Zahn: Neben einem Grußwort von Konstantin Wecker sprach zum Beispiel der ehemalige Oberst der Bundeswehr Jürgen Rose. Ich muss sagen, wirklich alle Achtung, das war eine gute Rede. Er sagte, dass eine undifferenzierte Ehrung von Gefallenen  immer eine reaktionäre Geschichte sein muss, wenn man nicht benennt, warum Soldaten gefallen sind. Wofür sind sie gefallen? Für wen? Für wessen Ziele wurden sie losgeschickt?

Der Künstler Wolfram Kastner ging auf die Geschichte des Kriegerdenkmals ein. Schon bei seiner Einweihung 1924 wehten Hakenkreuzfahnen und neben haufenweise Nazis maschierten die Burschenschaften auf. Mark von der ver.di-Jugend nahm Bezug auf die Bildung. Das Zwei-Prozent-Ziel der NATO hört sich so lapidar an, aber heute schon werden etwas mehr als 10 Prozent des Staatshaushalts für das Militär ausgegeben, während für Bildung nicht nur nicht mehr, sondern sogar weniger ausgegeben wird. Obwohl es an Lehrern fehlt, die Schulen marode sind und wir letztlich von der Qualifikation der Menschen leben.

Es wurde dann noch auf den Bundeswehr-Showroom in den Pasing-Arcaden, einem Einkaufszentrum im Westen von München, eingegangen. Das ist ein unsägliches Auftreten. Es wird so getan, als wäre der Militärberuf ein ganz normaler Beruf. Ist er aber nicht, denn es wird verschwiegen, was für Konsequenzen der Beruf an der Waffe haben kann und für wen und welche Interessen man in ferne Länder geschickt wird.

UZ: Wie wurden das Gelöbnis wie auch die Proteste von der Bevölkerung aufgenommen?

Arnold Zahn: Immer wieder sind Leute stehengeblieben, um zu gucken. Aber sonderlich hat es sie nicht interessiert, wie auch das Gelöbnis auf wenig Interesse stieß. Ich hatte nicht den Eindruck,  dass wirklich viele Leute bei dem öffentlichen Gelöbnis zugegen waren.

UZ: Und die Polizei?

Arnold Zahn: Es ist nicht zu Zwischenfällen gekommen. Die haben auf den Stufen der Feldherrnhalle gestanden und haben uns gefilmt. Das ist heute leider Alltag.

UZ: Du warst Taucher bei der Nationalen Volksarmee. Hat man da nicht Verständnis für so ein Gelöbnis?

Arnold Zahn: Ich muss ganz klar sagen, nein! Obwohl ich freiwillig gedient habe, habe ich für das Militär nicht viel übrig. Da geht es mir nicht anders als Oberst Rose, der nach Sinn und Zweck fragt. Für mich hatte die NVA einen Sinn und einen Zweck. Sie war ein Instrument, um unser sozialistisches Vaterland zu verteidigen. Ich ging für meine Interessen, für unseren Staat zur NVA. Das ist etwas anderes.

UZ: Das siehst du bei der Bundeswehr nicht?

Arnold Zahn: Das sehe ich bei der Bundeswehr ganz und gar nicht gegeben, denn dieses Land ist ein kapitalistisches, dieser Staat ist das Machtinstrument der herrschenden Klasse. Und dazu gehört die Bundeswehr. Die Bundeswehr ist dazu da, die Interessen der Bourgeoisie durchzusetzen – im Notfall auch im eigenen Land. Das war früher so, das ist heute so. Am Charakter der Klassenherrschaft hat sich nichts geändert.

UZ: Welche Rolle spielt heute die Bundeswehr deiner Meinung nach?

Arnold Zahn: Die Bundeswehr ist ein Instrument nach außen, die Stärke Deutschlands – die wirtschaftliche wie auch militärische – zu demonstrieren und Interessen anzumelden. Über den Daumen gepeilt ist die Bundeswehr in zwölf Ländern im Einsatz. Wenn ich mir  anschaue, was im Grundgesetz steht, dann ist da eine ganz üble Diskrepanz, da steht nämlich: Sie ist zur Landesverteidigung da. Und weder in Mali noch in Afghanistan wird die Bundesrepublik verteidigt. Da kann ich mir nicht helfen, das ist keine Friedenspolitik, die da betrieben wird.

UZ: Welche Rolle haben da die Gelöbnisse?

Arnold Zahn: Die Gelöbnisse sind da, um eine Normalität zu entwickeln. Die Bundeswehr tritt in Erscheinung und wird verherrlicht. Zudem ist es für die Bundeswehr Werbung, um neues Personal zu gewinnen. Kurt Tucholsky sagte, „Jubel über militärische Schauspiele ist eine Reklame für den nächsten Krieg“, und damit hat er Recht. Der bürgerliche Staat braucht diese Armee. Die Kapitalisten wollen keinen Krieg, sie müssen ihn wollen, sagte Brecht.

Die Herrschenden und die Bundeswehr stehen aber vor dem Problem, dass der übergroße Anteil der Menschen Kriege ablehnt. Ich glaube auch, dass die meisten Menschen einen Krieg mit Russland nicht wollen. Trotzdem werden Panzer an die russische Grenze geschickt.

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"„Reklame für den Krieg“", UZ vom 22. November 2019



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