Verschärfte Repression gegen tamilische Bewegung

Schikaniert und angeklagt

Kolumne

Den deutschen Repressionsbehörden ist bekanntlich nichts zu peinlich, wenn es darum geht, linke politische Bewegungen zu kriminalisieren. Eines der Mittel, das zunehmend in Mode kommt, ist das Flaggenverbot für Befreiungsbewegungen, die sich hier im Exil gegen Unterdrückung in ihren Herkunftsländern einsetzen. Was bei den kurdischen Organisationen leider Alltag ist, hat Anfang Juni 2022 in Berlin auch die tamilische Bewegung getroffen.

Bei einem Sportfest für tamilische Jugendliche, bei dem leichtathletische Wettkämpfe, Fußballturniere und ähnliches stattfanden, rückte im Laufe der Veranstaltung die Polizei an. Die etwa 400 Personen hatten die ersten Sportveranstaltungen hinter sich, es sollte eigentlich gleich Mittagessen geben. Die Beamten erzählten dem Veranstalter, sie seien gerufen worden, weil es angeblich zu laut sei. Allein das könnte schon als ziemliche Schikane gewertet werden, fand die Veranstaltung doch auf einer dafür vorgesehenen Sportanlage statt, wo alle möglichen Sportvereine ihre Events veranstalten.

Der 44-jährige Familienvater staunte nicht schlecht, als er von den Beamten vor versammelter Mannschaft aufgefordert wurde, sein Hemd auszuziehen. Als Begründung gab die Polizei an, auf dem Hemd sei das Symbol der Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE) zu sehen. Die sozialistische Organisation hatte über 30 Jahre einen Befreiungskampf gegen das srilankische Regime geführt und einen De-facto-Staat im Norden und Osten der Insel errichtet. Ziele der LTTE waren unter anderem die Abschaffung des Kastenwesens und Geschlechtergerechtigkeit sowie Alphabetisierung, Zugang zu Bildung und Landreform, wie sie bei linken Befreiungsbewegungen rund um den Globus zu finden sind.

Das Staatsprojekt Tamil Eelam wurde 2009 durch einen Genozid an der tamilischen Bevölkerung vorerst beendet. Die Kriminalisierung der tamilischen Bevölkerung in Sri Lanka inklusive fehlender Meinungs- und Pressefreiheit ist dort weiter an der Tagesordnung. Die deutschen Repressionsbehörden mischen fleißig mit. Mehrere Tamilen wurden nach dem berüchtigten Gesinnungsparagrafen 129b als „ausländische Terroristen“ verurteilt, die LTTE befindet sich auf der EU-Terrorliste. Nun ist es offensichtlich auch schon verboten, das Symbol mit dem Tiger zu tragen, welches gleichzeitig die Nationalflagge der tamilischen Minderheit ist, von der Hunderttausende in die Diaspora in aller Welt fliehen mussten, um nicht massakriert zu werden.

Nachdem der Veranstalter des Sportfestes sich zuerst empört weigerte, sein Hemd auszuziehen, wurde ihm lautstark klargemacht, dass man ihn zu Boden werfen und Zwangsmaßnahmen anwenden werde, um des Hemdes habhaft zu werden. Zugunsten seiner anwesenden Kinder entschloss sich der tamilische Aktivist, den Beamten das Hemd auszuhändigen. Ob sie wohl stolz auf sich waren? Kurzerhand wurde der Aktivist für mehrere Stunden in Gewahrsam genommen, angeblich um Personalien zu überprüfen. Jedes Kind weiß, dass die Polizei das über Funk kann, eine reine Machtdemonstration.

Damit nicht genug, winkt nun auch noch ein Prozess wegen der angeblichen Verbreitung von Propagandamitteln verfassungsfeindlicher Organisationen. Klar, wegen des Tragens eines Hemdes. Das Urteil darf mit Spannung erwartet werden. Auch diese Anklage stellt ein Novum dar, wie es in der letzten Zeit so viele gab, denken wir zum Beispiel an das Sowjetflaggen-Verbot am 8. Mai in Berlin. Die Antwort darauf sollte der solidarische Zusammenschluss aller Betroffenen sein, um sich der Repression entgegenzustellen.

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"Schikaniert und angeklagt", UZ vom 21. April 2023



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