Der letzte Spieltag der Bundesliga

Schon wieder Kruse

Von Karl Rehnagel

Ich sitze in meiner Stammkneipe, bestelle ein Bier, haue 3,- Euro Einsatz in die Wettkasse und diktiere ein 4:2 auf den Zettel. Bis zur 68. Minute bin ich zufriedener Wettkönig, denn dass wir noch zwei Buden machen ist so klar wie der Wodka, den ich um diese Uhrzeit an mir vorbeiziehen lasse, zu den Damen am Nebentisch. Dann kommt Kruse (schon wieder der!) und macht das 2:3. Danke für nichts. Natürlich machen wir noch die zwei Hütten und gewinnen, aber ich bin raus, ertrinke mein Elend gnadenlos in einem Espresso auf Ex. Auf dem Platz Rudelbildung, Aube weint, weil er Torschützenkönig geworden ist oder vielleicht auch, weil er nächstes Jahr in Paris 343 467 Euro verdient, pro Minute natürlich. Bratwurst-Watzke und Tofu-Tuchel begegnen sich aus Versehen und nehmen sich 1,8 Sekunden lang dermaßen übermäßig freudig in den Arm, dass zwei Stachelschweine auf Schlaftabletten vor Neid erblassen würden. Albern. Nur Bartra, der beim Anschlag auf den BVB-Bus verletzte Spanier, berührt mich. Auch er weint und lässt sich und seinen gegipsten Arm von der gelben Wand feiern. Recht so.

Und sonst? Die Frankfurter benennen im letzten Heimspiel (2:2 gegen Leipzig) ihr Stadion zurück von „Commerzbank-Arena“ (Au Backe) in „Waldstadion“. Schön, wenn sicherlich auch nur für ein Spiel. Die Bayern bleiben unfassbar peinlich und lassen in der Halbzeitpause (!!) gegen Freiburg eine US-Sängerin zur Meisterfeier auftreten. Die Pause verlängert sich um satte 10 Minuten. Freiburg, immerhin noch mit Chancen auf die Europa-League, erbost: „Das ist Wahnsinn“. Jap, und passt damit zu Bayern. Eine Welt zwischen Arroganz, ekeliger weißer Wurst und Steuerhinterziehung.

Der HSV, tja … der HSV. Lässt sich von einem quasi Unbekannten retten, Luca Waldschmidt, 21 Jahre, null Tore. Zwei Minuten auf dem Platz, fällt ihm in der 88. Minute der Ball auf den Kopf, Hamburg 2, Wolfsburg 1, ersterer gerettet. Über Wolfsburg etwas zu schreiben, ist wie ein leeres Bier bestellen. Geht gar nicht.

Gewinner neben Freiburg, die einen ganz starken 7. Platz erreicht haben: Köln. 5. Platz und damit erstmals seit gefühlt ca. 89 Jahren wieder in der Europa-League. „Europapokal, das ist Wahnsinn. Das kennen wir in Köln ja nur aus Erzählungen unserer Großväter.“ (Timo Horn) Gönne ich ihnen. Und den Großvätern auch. Unsere blau-weißen Freunde von nebenan schaffen ein 1:1 gegen Absteiger Ingolstadt, Respekt. Platz 10 ist ganz schön Sch… alke. Leverkusen, die eine furchtbar schlechte Saison auf Platz 12 (!) abschließen, siegen 6:2 gegen Berlin, denen das auf dem 6. Tabellenplatz völlig Humpe sein kann und auch ist.

Und sonst? Bayern ist Meister. In der Kreisliga C in Koblenz schlägt der BSV Weißenthurm den NK Croatia Koblenz mit 10:2. Auch spannend.

Wir rumtaktieren noch bei einem letzten Bier die mögliche Aufstellung im Pokalspiel gegen Frankfurt, die graue Ruhrpottsonne geht langsam unter und ich noch langsamer – verdammte Knie-OP – nach Hause. Für die neue Saison gilt dann der gute alte Eduard-Geyer-Spruch: „Es muss eine Kehrtwende geben. Und die muss 360 Grad sein.“ Genau. Oder so.

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"Schon wieder Kruse", UZ vom 26. Mai 2017



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