Wie die Gilmore Girls immer wieder Stalin bemühen

Stalin in Stars Hollow

Von Arne Sörensen

Gilmore Girls

7 Staffeln 2000–2009

Staffel 8, 2016

streambar bei Netflix

Gerade wurde mit großem Pomp eine der erfolgreichsten Serien der 2000er Jahre beerdigt. Der Streamingdienst Netflix hatte exklusiv vier abschließende Folgen der „Gilmore Girls“ produziert, die den Zuschauer wieder mitnehmen ins beschauliche Städtchen Stars Hollow, zu Lorelai Gilmore und ihrer Tochter Rory. Die Zutaten sind die gewohnten: schnelle Dialoge, Junk-Food, viel zu viel Kaffee und Stalin.

Stalin? Richtig gehört. Während die Geschichte der beiden Frauen in Stars Hollow ihren Lauf nimmt, begegnen einem nicht nur mehr oder weniger liebenswerte Figuren des Kleinstadtlebens wie der zwanghafte Stadtverordnete Taylor, der ewig schlecht gelaunte Cafébesitzer Luke oder der stadteigene Barde, der unter freiem Himmel Songs zum besten gibt, sondern auch immer wieder Stalin.

An der Eliteschule Chilton, die Rory dank des Geldes ihrer Großeltern besuchen kann, begegnet er uns gleich in der ersten Staffel, wenn auch hier nur als Hintergrunddekoration. Immerhin wird hier gleich klar gemacht, wer da an der Wand hängt: das pure Böse aus Europa: Hitler (sehr kleines Bild) und Stalin (deutlich größeres Bild). Nach dieser Einführung geht es Schlag auf Schlag: Lorelais böse Mutter: Stalin, der böse Schuldirektor: Stalin, der russische Balletttänzer, der kurzzeitig bei Lorelais Mutter wohnt: durch Stalin ermordete Familie.

Auch nach der Schulzeit, an der ehrwürdigen Universität Yale, ist immer schnell von Stalin die Rede: wenn es ums Spaßverderben geht (für Insider: natürlich geht es hier um die Life-and-death-Brigade) oder ob Rory nur eine Entscheidung trifft, die ihrem Freund nicht passt. (Rory: Wir haben darüber gesprochen. Logan: Nein, du hast gesprochen und ich war dagegen. Rory: Dann habe ich entschieden. So ist das. (Logan: Ich nehm dir die Stalin-Biografie weg.) und erst recht wenn die kontrollwütige Paris Geller Chefredakteurin der Yale Daily News wird…

Kaum eine Folge kommt ohne die Erwähnung Stalins aus. Höhepunkt findet das Ganze in den neuen Folgen: Paris bringt eine ganze Klasse ihrer ehemaligen Schule bei einem Vortrag zum Weinen, weil sie ein Stalinzitat an das nächste reiht.

Die Frage ist nur: Warum?

Wieso braucht eine Serie über eine alleinerziehende Mutter und ihre Tochter, die in einer beschaulichen Kleinstadt leben, Stalin? Mag es für die ersten Folgen aus dem Jahr 2000 noch als Entschuldigung gelten, dass der kalte Krieg noch nicht so lange her war und das Feindbild Stalin (und damit das der Sowjetunion) noch mehr oder weniger reflexhaft weiter gepflegt wurde, wird es im Jahr 2016 dann doch langsam albern, amerikanische Schulkinder noch mit Stalin zu erschrecken. Geschweige denn sie zum Weinen zu bringen. Was Stalin also genau in Stars Hollow macht wird wohl Geheimnis der Produzenten bleiben.

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"Stalin in Stars Hollow", UZ vom 26. Mai 2017



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