Wie der Versuch einer separaten Kapitulation der Wehrmacht in Italien scheiterte

Stalins Einspruch

Im Frühjahr 1945 rückte die Niederlage Hitlerdeutschlands in greifbare Nähe. In Berlin versuchte das Regime zu einer separaten Kapitulation der Wehrmacht vor den anglo-amerikanischen Alliierten zu kommen, um die frei werdenden Truppen im Osten und Südosten gegen die Rote Armee einsetzen zu können. Die besten Möglichkeiten dazu sah man in Italien, wo sich noch 23 Divisionen befanden.

Mit dem Ziel, entsprechende Verhandlungen einzuleiten, traf am 8. März 1945 eine Wehrmachtsabordnung unter Leitung des SS-Polizeichefs in Norditalien, Karl Wolff, in Zürich mit Allan Dulles, dem Leiter des Office of Strategic Service (OSS), Vorläufer der CIA, zusammen. Obwohl man zunächst nicht „von einem Waffenstillstand sprach“, verdeutlichte man dem deutschen Mittelmeerkommando „die Unmöglichkeit der Fortsetzung eines verlorenen Krieges“. Der „Ausgang der Gespräche wurde von den Alliierten in sehr optimistischer Weise eingeschätzt“. Wolff habe nicht geleugnet, „dass der Krieg für Deutschland verloren sei“ und keine Einwände gegen Dulles‘ Erklärung erhoben, dass es nur um das „Prinzip der bedingungslosen Kapitulation“ gehen könne. Das Oberkommando der Wehrmacht habe aber beabsichtigt, nach einem Waffenstillstand die in Norditalien stehenden 19 Divisionen abzuziehen und gegen die in Österreich vorrückende Rote Armee einzusetzen.
Die Anglo-Amerikaner wollten die UdSSR von den Verhandlungen mit Wolff ausschließen. Der Botschafter der USA in Moskau vertrat den Standpunkt, es gebe „keine Rechtfertigung für die Teilnahme sowjetischer Offiziere“. Die Gespräche „beträfen ausschließlich eine anglo-amerikanische Front und die Sowjets hätten keinerlei legitimes militärisches Interesse in der Frage“. Überdies könnten anwesende Sowjetoffiziere „störende Forderungen stellen“ und damit die Diskussionen zum Scheitern bringen.

Nachdem Stalin entschieden gegen die hinter dem Rücken der UdSSR aufgenommenen Gespräche protestiert hatte, versuchte Churchill abzuwiegeln. In der Schweiz wurden „keinerlei Verhandlungen geführt, nicht einmal über eine militärische Kapitulation der Armee Kesselrings“. Gleichzeitig meinte Churchill, dass der Oberkommandierende im Mittelmeerraum das Recht habe, „die Kapitulation der aus 25 Divisionen bestehenden deutschen Armee an seiner Front entgegenzunehmen und solche Verhandlungen mit deutschen Abgesandten, die zu Verhandlungen über die Kapitulationsbedingungen bevollmächtigt sind, zu besprechen“.
Stalin reagierte am 7. April mit einer Botschaft an Präsident Roosevelt, in der er klarstellte, dass „bei jeder Verhandlung von Vertretern eines Verbündeten mit den Deutschen über Kapitulationsbedingungen die Teilnahme von Vertretern der anderen Verbündeten gewährleistet sein muss“. Stalin hielt fest, Amerikaner und Engländer haben „den Russen das Recht verweigert, an der Begegnung mit den Deutschen in der Schweiz teilzunehmen“. Mit dem Einspruch Stalins waren die Versuche von Dulles und Wolff, zu einer separaten Kapitulation zu kommen, gescheitert.

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Kritischer Journalismus braucht Unterstützung, um dauerhaft existieren zu können. Daher laden wir Sie ein, die UZ als Wochenzeitung oder in der digitalen Vollversion 6 Wochen kostenlos und unverbindlich zu testen. Sie können danach entscheiden, ob Sie die UZ abonnieren möchten.

✘ Leserbrief schreiben

An die UZ-Redaktion (leserbriefe (at) unsere-zeit.de)

"Stalins Einspruch", UZ vom 17. April 2020



    Bitte beweise, dass du kein Spambot bist und wähle das Symbol Herz.



    UZ Probe-Abo [6 Wochen Gratis]
    Unsere Zeit