Zur EU und den US-Präsidentschaftswahlen

Strategische Autonomie

Die sich abzeichnende Niederlage in der Ukraine-Kampagne, das brutale Abschlachten der Palästinenser, der sich rapide verschlechternde mentale Zustand des US-Präsidenten lassen selbst bei seinen glühenden Anhängern (soweit es die gibt) ernste Zweifel aufkommen, ob es angeraten sein kann, mit ihm in eine zweite Amtszeit zu ziehen. Für Donald Trump steigen die Chancen, die Wahlen im Herbst zu gewinnen. Er führt in allen wesentlichen Umfragen.

Das wirft für die europäischen „Strategen“ die Frage auf, wie ein Präsident Trump für die eigenen Interessen (unterstellt, es gibt solche) zu nutzen sei. Trump hatte in seiner ersten Amtszeit mit seinen NATO-skeptischen Äußerungen für Furore gesorgt und wilde Phantasien von einer „strategischen Autonomie Europas“ ins Kraut schießen lassen. Zwei Kriege und einen demütigenden NATO-Abzug weiter scheint man – offenbar faktenresistent – in Berlin, Brüssel, Paris, London und Rom ein Revival des schon einmal gescheiterten Unternehmens ins Auge fassen zu wollen. Das in einer tiefen ökonomischen Krise steckende Europa soll zu einer militärischen Großmacht aufgerüstet werden. Und die Vehikel dazu sollen der Ultrabösewicht Putin sein, der mit seinen asiatischen Horden jeden Augenblick bis zum Atlantik durchbrechen kann, und ein auf „America first“ fokussierter US-Präsident, dem das Schicksal von 500 Millionen Europäern am Arsch vorbeigeht.

Die tatsächlichen Probleme der NATO entspringen heftigen inneren Widersprüchen, sowohl zwischen den USA und Europa als auch zwischen den europäischen Mächten. Letztere sind nun offen ausgebrochen. Während die Kriegspartei eine Verschärfung des Ukraine-Konfliktes mit eigenen Truppen und Mitteln befürwortet, sehen realistischere Kräfte die Sache als aussichtslos an. Frankreich, das gerade aus Afrika herausgeflogen ist, Britannien, das seine Flotte kaum noch aus dem Hafen herausbekommt, Deutschland, dessen Fregatte zwar im Roten Meer kreuzt, aber keine Munition hat – damit gegen Russland kämpfen zu wollen, ist nicht nur lächerlich, sondern gefährlich.

Bislang hat die russische Führung dem NATO-Treiben mit viel Geduld zugesehen. Wenn es die Macrons, Pistorius, Sunaks und von der Leyens allerdings hin zu eigenen Militäroperationen treiben, könnten unangenehme Gegenreaktionen erfolgen.

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"Strategische Autonomie", UZ vom 15. März 2024



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