Meine (halbe) Corona-Woche (14)

Suboptimal

Kultur: Mit dem Rad runter zum Hafen, Klaus Hartmann, ein befreundeter Fotograf, stellt aus. Der Laden besteht aus zwei Stahlcontainern, in einem ist die Ausstellung, im anderen der Ausschank. Fertig. Sehr angenehm. Und das ganze direkt am Wasser, am Dortmunder Kanal. Ruhrpottromatik. Ich bin der fünfterste Gast, Nummer drei und vier sind … die Eltern. Die Überraschung wird mit einem Gläschen Weißwein

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„Sommer am Hafen 1“ aus der Ausstellung „Zwischenblicke“ (Foto: © Klaus Hartmann)

auf Plastikstühlen begossen, die Sonne scheint auf grauen Beton. Die Fotos sind toll, sie zeigen die Kaputtheit, aber auch den rauen Charme vor allem der Nordstadt und des Hafengebietes. Der Rückweg ist dann kein Spaß, es geht schlicht fast nur bergauf. Für mich: Suboptimal.

Fußball (1): Der glorreiche FC Bayern München ist Deutscher Meister. Das achte Mal in Folge. Was auch heißt: Kinder in der 2. Klasse kennen das Problem seit ihrer Geburt. Sportlich so aufzuwachsen ist wohl eher auch: Suboptimal.

Gesellschaft: Dank Corona wissen wir jetzt alle, Jobs in der Fleischindustrie gehören zum Härtesten und Schlimmsten auf dem Arbeitsmarkt. Widerliche Arbeit, beschissen bezahlt, Unterbringung, Verpflegung und Hygiene unter aller Sau (ich bitte das Wortspiel zu entschuldigen). Vorher wusste das niemand. 100 Gramm Schweinenackenkotelett im Netto für 69 Cent und ein Fleischfabrikant namens Tönnies mit einem Vermögen von 2,3 Milliarden US-Dollar: Dass dabei keiner ausgebeutet wird, liegt doch eigentlich auf der Hand. Nicht! Eine ekelige Verlogenheit. Und Tönnies, der vor nicht allzu langer Zeit mit übelstem Rassismus aus- und auffiel? „So werden wir nicht weitermachen. Wir werden diese Branche verändern.“ Ein Kapitalist als Menschenfreund erster Klasse. Ich beschließe derweil, noch weniger Fleisch zu essen als eh schon. Bei meinen mehr als überschaubaren Kochkünsten allerdings: Suboptimal.

Fußball (2): Borussia Dortmund blamiert sich mit einem 0:2 zu Hause gegen Mainz. Eine „Leistung“ irgendwo zwischen Wettbewerbsverzerrung und körperlicher Demenz. Wahrscheinlich leisten wir damit unseren Beitrag, dass Werder absteigt. Wenn sich die Dortmunder Millionäre auf dem Rasen schon nicht schämen: Mir tut der Auftritt weh und leid, liebe Bremer.

Sport: Mit dem Fahrrad über Körne zum Phoenixsee, der hübsch sein könnte, wenn nicht 400 brutal hässliche Betonpaläste der Oberschicht seine Ränder bewachen würden. Hoch zu Phoenixwest, alte Industriedenkmäler aus der Zeit der Stahlkocher. Weiter zum Schultenhof, durch die Bolmke zum Garten. 19 Kilometer, eine Stunde 10. Mit Raucherpause. Ich geb mir mal ’ne Vier plus. Am nächsten Morgen dann allerdings die Knie: Suboptimal.

Frauen: A., die Freundin vom neuseeländischen Baumfäller, und ich liegen im Park, trinken Weißwein aus mitgebrachten Cuba-Libre-Gläsern. Eine hübsche Frau erscheint und schnorrt Tabak von mir: „Eigentlich rauche ich ja nicht mehr.“ „Aha“, sag ich, „dann gib mal besser zurück.“ „Nein, heute ist der schlimmste Tag meines Lebens.“ Oha. Bei so etwas bin ich ja stante pede ein Füllhorn der helfenden Ideenfindung: „Ist deine Wohnung abgebrannt? Dein Hund überfahren worden? Der Sohn im Koma? Die Doktorarbeit explodiert?“ „Nein“, sagt sie und wendet sich schniefend von uns ab „Ich hab gerade meinen Freund verlassen.“ „Och“, sage ich achselzuckend „umgekehrt wär schlimmer.“ Sie läuft weg, A. schüttelt ob so viel Blödheit nur den Kopf und ich denke mal wieder bei mir: Flirten kann ich. Zumindest… suboptimal.

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"Suboptimal", UZ vom 26. Juni 2020



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