2. Runde der Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst der Länder

Taktierei statt Angebot

Nora Hachenburg

Am 2. und 3. November fand die zweite Verhandlungsrunde zum Tarifvertrag der Länder im Öffentlichen Dienst statt. Die Arbeitgeber blieben bei ihrer Strategie und legten kein Angebot für die 1,1 Millionen Beschäftigten vor. Die 2.000 Streikenden, die vor dem Verhandlungsort in Potsdam für ihre Forderungen von 10,5 Prozent, mindestens aber 500 Euro demonstrierten, wurden von ihnen genauso ignoriert wie der Lohnabstand zum Tarifvertrag bei Bund und Kommunen sowie der dramatische Fachkräftemangel im Länderbereich.

Schon vor der ersten Verhandlungsgrunde machte Andreas Dressel, Finanzsenator von Hamburg und Verhandlungsführer für die Länder, deutlich, was der Arbeitgebermaßstab für die Tarifrunde ist: „Die Beschäftigten verdienen eine Anpassung ihrer Löhne, aber die Länder müssen auch handlungsfähig bleiben. Um zu einer guten Lösung am Verhandlungstisch zu kommen, brauchen wir alle die nötige Sensibilität, Fingerspitzengefühl und ein gemeinsames Verständnis für die gegenwärtige Lage.“

Auch sonst blieb Dressel in den Verhandlungen und in der Öffentlichkeit dieser Linie treu. Dazu gehört das ewig gleiche Drehen der Gebetsmühle mit dem Verweis auf eine schwierige Kassenlage der Länder. Die von Dressel angekündigte „Sensibilität“ und das „Fingerspitzengefühl“ opferte er allerdings der Verhandlungstaktik.

Der ver.di-Vorsitzende Frank Werneke kritisierte nach den zwei Verhandlungstagen in Potsdam, die Arbeitgeber hätten kein Angebot vorgelegt und „alle wesentlichen Forderungen und Erwartungen rundweg abgelehnt“. Insbesondere verweigerten sie einen Abschluss in Höhe des Tarifvertrags öffentlicher Dienst (TVöD). „Das ist ein Affront gegenüber den Beschäftigten“, so Werneke. Auch die Einführung eines Tarifschutzes für studentisch Beschäftigte sowie eine Regelung für eine Stadtstaatenzulage seien abgelehnt worden.

Seit dem letzten Tarifabschluss im Herbst 2021 hätten die Beschäftigten im Öffentlichen Dienst der Länder Reallohnverluste im zweistelligen Prozentbereich erlitten: „Die Länderbeschäftigten bilden bei der Bezahlung im öffentlichen Dienst das Schlusslicht“, betonte er. Im gesamten Öffentlichen Dienst seien bundesweit mehr als 300.000 Stellen unbesetzt. In Hamburg beispielsweise sind 25 Prozent aller vorgesehenen Stellen derzeit nicht besetzt. Um den Öffentlichen Dienst attraktiver zu machen, Beschäftigte zu halten und neue Beschäftigte zu gewinnen sei eine deutliche und nachhaltige Erhöhung der Gehälter dringend notwendig.

Dass die Tarifgemeinschaft deutscher Länder Corona-Kosten, den Krieg in der Ukraine und die Inflation zur Vermeidung der notwendigen Lohnerhöhungen wie einen Schild vor sich herträgt, war erwartbar. Dass sie erklären, dass sie sich für ein auskömmliches Einkommen ihrer Beschäftigten nicht mehr verantwortlich fühlen und Wohngeldbezug in Ballungsräumen völlig normal finden („… dürfe nicht stigmatisiert werden“), hat eine neue Qualität und wird als Provokation bewusst in der zweiten Verhandlungsrunde platziert.

Die damit eingeleitete Vorbereitung eines schlechten Tarifabschlusses in der dritten Verhandlungsrunde, die für den 7. und 8. Dezember geplant ist, wird nur durch eine massive Ausweitung der Warnstreiks unterbrochen werden können. Dies ist auch die zentrale Botschaft der Verhandlungsführenden bei ver.di, Frank Werneke und Christine Behle, nach der zweiten Verhandlungsrunde. Neben der Ausweitung der Streiks wird es die gesellschaftliche Unterstützung der Streikenden und ihrer Forderungen brauchen, um die aktuelle Regierungspolitik für Aufrüstung auf Kosten der Beschäftigten in dieser Tarifrunde zumindest ein wenig anzugreifen.

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"Taktierei statt Angebot", UZ vom 10. November 2023



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