Preissteigerungen: Ist das Schlimmste wirklich ausgestanden?

Teuer, teurer, Brot

Während an den Fronten des Stellvertreterkrieges in der Ukraine die Truppen Kiews zuletzt eine Stellung nach der anderen räumen mussten, konnten zumindest im Wirtschaftskrieg in der vergangenen Woche Erfolge vermeldet werden.

Man ist zwar immer noch weit davon entfernt, „Russland zu ruinieren“, wie von Außenministerin Annalena Baer­bock noch vor zwei Jahren vollmundig angekündigt. Dafür ist immerhin die deutsche Inflationsrate im April stabil geblieben und verharrt nach Zahlen des Statistischen Bundesamts mit 2,2 Prozent auf dem Niveau des Vormonats. Die Teuerung bleibt damit auf dem niedrigsten Stand seit April 2021, als sie bei 2,0 Prozent lag. Im Dezember vergangenen Jahres hatte sie noch 3,7 Prozent betragen und war seitdem stetig zurückgegangen. Nahrungsmittel kosteten im April 0,5 Prozent mehr als vor Jahresfrist. Für Dienstleistungen wurden 3,4 Prozent mehr verlangt. Die sogenannte Kerninflation – bei der Energie- und Lebensmittelpreise ­herausgerechnet werden – sank derweil auf 3,0 Prozent. Im März war die Kerninflationsrate noch um 3,3 Prozent gestiegen, so das Statistische Bundesamt.

Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Ökonomen hatten zuletzt mit einem erneuten Anstieg der Teuerungsrate auf 2,3 Prozent gerechnet. Hintergrund ist das Auslaufen der Preisbremsen für Energieprodukte zu Jahresbeginn und der ebenfalls ab Januar wirkenden CO2-Preis-Erhöhung für fossile Brennstoffe wie Kraftstoffe, Heizöl und Erdgas. Dennoch seien die Energiepreise weiter gesunken, so die Statistiker. Allerdings nicht mehr so stark wie im April, als sie um 2,7 Prozent fielen. Ein Grund dafür ist die zum 1. April auf 19 Prozent erhöhte Mehrwertsteuer für Gas und Fernwärme. Diese war während der Energiekrise vorübergehend auf sieben Prozent abgesenkt worden.

Angesichts dieser Erfolgsmeldungen könnte man meinen, das Schlimmste sei ausgestanden und die extrem hohen Inflationsraten aus den vergangenen zwei Jahren sind Geschichte. Die Realität ist jedoch eine andere. Denn weniger steil ansteigende Inflationsraten bedeuten keinesfalls, dass das Leben billiger geworden ist, sondern lediglich, dass die Preise weniger schnell ansteigen als zuvor. Es würde ja auch niemand auf die Idee kommen, ein Fußballspiel, in dem man zur Pause 0:5 hinten lag, gewonnen zu haben, nur weil man selbst das einzige Tor in der zweiten Halbzeit erzielt hat.

Wie ernst die Lage zumindest für Gering- und Normalverdiener weiterhin ist, verdeutlicht eine andere Pressemeldung aus der vergangenen Woche: Die Brotpreise sind massiv angestiegen. Wer Brötchen oder Brot kauft, zahlt dafür laut Statistischen Bundesamt heute 34,4 Prozent mehr als noch 2019. Wer nun meint, wenigstens die Bäckerinnen und Bäcker würden von den gestiegenen Brotpreise profitieren, liegt falsch: Nach aktuellen Angaben des Zentralverbands des Deutschen Bäckerhandwerks ist die Zahl der Bäckereibetriebe in Deutschland im letzten Jahr erneut gesunken. Ende 2023 seien es noch 9.242 Betriebe mit etwas mehr als 235.000 Beschäftigten gewesen – ein Rückgang um 3,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Seit 2015 habe sogar gut ein Viertel der Betriebe dichtgemacht.

Mit mehr als einem Drittel stiegen die Brotpreise ähnlich stark wie die Preise für Nahrungsmittel allgemein, aber deutlich mehr als die Gesamtinflation mit Verbraucherpreisen von insgesamt „nur“ um 17,3 Prozent im gleichen Zeitraum. Gerade für ärmere Haushalte ist das fatal, da sie einen großen Teil ihres schmalen Budgets für Nahrungsmittel und Haushaltsenergie – also die stärksten Preistreiber der letzten beiden Jahre – ausgeben müssen. Nach Zahlen des Inflationsmonitors des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung waren infolge dessen ärmere Alleinlebende mit 6,3 und ärmere Familien mit 6,0 Prozent mit deutlich überdurchschnittlichen Inflationsraten konfrontiert und lagen für das Gesamtjahr 2023 spürbar über der allgemeinen Inflationsrate von 5,9 Prozent.

Hinzu kommt, dass die Jahre 2021 und 2022 für zahlreiche Beschäftigte von drastischen Reallohnverlusten geprägt waren. Ende 2023 lag die Kaufkraft der Tarifbeschäftigten im Mittel sechs Prozentpunkte niedriger als noch 2020. Damit sind die realen Tariflöhne in Deutschland durch die starke Inflation im Durchschnitt in den vergangenen Jahren auf das Niveau von 2016 zurückgefallen.

Dies alles zeigt, die Losung „Für Heizung, Brot und Frieden“ bleibt trotz „Erfolgsmeldungen“ von stabilen Inflationsraten so aktuell wie zuvor.

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Kritischer Journalismus braucht allerdings Unterstützung, um dauerhaft existieren zu können. Daher freuen wir uns, wenn Sie sich für ein Abonnement der UZ (als gedruckte Wochenzeitung und/oder in digitaler Vollversion) entscheiden. Sie können die UZ vorher 6 Wochen lang kostenlos und unverbindlich testen.

✘ Leserbrief schreiben

An die UZ-Redaktion (leserbriefe (at) unsere-zeit.de)

"Teuer, teurer, Brot", UZ vom 10. Mai 2024



    Bitte beweise, dass du kein Spambot bist und wähle das Symbol Stern.



    UZ Probe-Abo [6 Wochen Gratis]
    Unsere Zeit