Diffamierung und Hetze prägen auch den neuen „Verfassungsschutzbericht“ über das Jahr 2017

Überall „Linksextremisten“

Von Markus Bernhardt

Ausgerechnet Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU), der es mit dem Schutz gesetzlich verbriefter Grundrechte wie etwa dem Recht auf Asyl oder dem Recht auf Versammlungsfreiheit selbst nicht so genau nimmt, hat dieser Tage den „Verfassungsschutzbericht“ über sogenannte extremistische Aktivitäten für 2017 vorgestellt. Wirklich Neues hat der Inlandsgeheimdienst mit der irreführenden Eigenbezeichnung „Bundesamt für Verfassungsschutz“ dabei nicht zu bieten. Findet sich im Bericht doch mehrheitlich nur die sattsam bekannte Gleichsetzung von vermeintlichen Links- und tatsächlichen Rechtsextremisten.

Nach dem Anstieg der rechtsextremistisch motivierten Gewalttaten mit fremdenfeindlichem Hintergrund in den letzten Jahren seien diese im Berichtsjahr 2017 um 35 Prozent gesunken. Der Anteil der Gewalttaten gegen Asylbewerberunterkünfte sank noch deutlicher, befinde sich aber immer noch auf einem höheren Niveau als im Jahr 2014, also vor der sogenannten Flüchtlingskrise. Im Bereich „Politisch motivierte Kriminalität – rechts“ wurden 19467 (2016: 22471) Straftaten mit extremistischem Hintergrund erfasst. Darunter 1 054 Gewalttaten (2016: 1 600). Die Zahl der versuchten Tötungsdelikte sank von 18 im Jahr 2016 auf vier im Jahr 2017.

Dem Bereich der „Politisch motivierten Kriminalität – links“ wurden vom Verfassungsschutz 6 393 Straftaten zugeordnet (2016: 5 230), darunter sollen sich 1 648 Gewalttaten (2016: 1 201) befinden. Für diese Steigerung seien im Wesentlichen die Ereignisse um den G20-Gipfel in Hamburg ursächlich, schreibt die Behörde.

Aktuell gibt es offensichtlich keine soziale Bewegung, hinter der der Staat keine „Linksextremisten“ vermutet. So werden im jüngsten „Verfassungsschutzbericht“ beispielsweise Proteste gegen die völkisch-nationalistische AfD und selbst die gegen den Braunkohletagebau und den Energiekonzern RWE diesem Vorwurf ausgesetzt.

Über die „orthodox-kommunistische“ Deutsche Kommunistische Partei (DKP) „mit ihren circa 3 000 Mitgliedern“ weiß der Inlandsgeheimdienst zu berichten, dass diese „unverändert an ihrem Ziel des Sozialismus und Kommunismus“ festhalte und „sich zu Theorien von Marx, Engels und Lenin als Anleitung für ihr Handeln“ bekenne. Nach wie vor befinde sie sich „in einem innerparteilichen Richtungsstreit über die künftige ideologische Ausrichtung und Strategie der Partei“. Neben der DKP werden wie üblich auch die SDAJ, Strukturen der Partei „Die Linke“, die Antirepressionsorganisation „Rote Hilfe“, die „Interventionistische Linke“, verschiedene Antifa-Zusammenschlüsse und als einziges vermeintlich linksextremes Printmedium die Tageszeitung „junge Welt“ (jW) im Bericht genannt. Bemerkenswert ist unterdessen die Auflage, die der Spitzeldienst der jW mit „156 000 Exemplaren“ zuschreibt.

Über den Extremismus der Mitte, das rassistische Gezeter der CSU, die Verstrickungen der Berichtsherausgeber in das mörderische Terrornetzwerk NSU oder die extrem rechten Positionen der AfD, die nicht einmal Beobachtungsobjekt des Geheimdienstes ist, findet sich in dem besagten Bericht erwartungsgemäß nichts.

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"Überall „Linksextremisten“", UZ vom 3. August 2018



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