Das Recherche-Netzwerk „Correctiv“ arbeitet nicht so transparent und unabhängig wie gerne behauptet

Undurchsichtig

Selten haben journalistische Recherchen solche Wirkung: Mehr als 2,5 Millionen Menschen haben nach Angaben der „taz“ auf mehreren hundert Veranstaltungen in Deutschland gegen AfD und Rechtsentwicklung demonstriert, seit das Essener Recherche-Netzwerk „Correctiv“ am 10. Januar über ein geheimes Treffen von gut zwei Dutzend Nazis, Unternehmern, CDU- und AfD-Mitgliedern in einem Landhotel nahe Potsdam am 25. November 2023 berichtete.

Unter der Überschrift „Geheimplan gegen Deutschland“ skizzierte Correctiv, wie Gernot Mörig, Nazi und ehemaliger Zahnarzt aus Düsseldorf, und Hans-Christian Limmer, „namhafter Investor im Gastro-Bereich“, per Brief zu dem Treffen einluden. Die meisten der Teilnehmer werden namentlich aufgeführt, Finanzierungsstrukturen offengelegt. Die Autoren zitieren aus Konferenzbeiträgen und fassen zusammen: „Hier zeigt sich, was passieren kann, wenn sich rechtsextreme Ideengeber, Vertreter der AfD und finanzstarke Unterstützer der rechten Szene mischen.“

Die Recherchearbeit und Berichterstattung von „Correctiv“ wirkt zunächst löblich – bei genauerem Hinsehen wirft sie dennoch Fragen auf. „Correctiv“ wurde 2014 von David Schraven gegründet. Er begründete einst den antideutschen Blog „Ruhrbarone“ mit und leitete das Ressort Recherche bei der WAZ-Mediengruppe. Die Idee hinter „Correctiv“: Weil Sparprogramme von Verlagen immer weniger Zeit und Mittel für personalintensive Recherchen lassen, soll ein spendenfinanziertes Team investigativen Journalismus betreiben.

Die Brost-Stiftung leistete Anschubfinanzierung in Höhe von über 3 Millionen Euro. Anneliese Brost hatte als Gesellschafterin der WAZ-Mediengruppe gut daran verdient, dass ihren Angestellten die Zeit für gründliche Recherchen genommen worden war. Ohne die Initialförderung ihrer Stiftung „wäre der Aufbau von Correctiv nicht möglich gewesen“, schreibt das Netzwerk auf seiner Website. Währenddessen fungierte der frühere Kanzleramtschef Bodo Hombach (SPD) als Stellvertretender Vorsitzender der Stiftung. In seiner Zeit als Geschäftsführer der WAZ-Mediengruppe hatte er hunderte Mitarbeiter gefeuert.

Seit 2019 stammt der größte Posten im Budget von „Correctiv“ aus privaten Spenden. Zuwendungen von Stiftungen machen aber weiterhin mehr als die Hälfte der Einnahmen aus. So überwies Luminate, die Stiftung des eBay-Gründers Pierre Omidyar, alleine im letzten Jahr 660.000 Euro an „Correctiv“. Von der Schöpflin-Stiftung kamen 286.000 Euro. Google Deutschland steuerte 115.000 Euro bei. Unter den fünf größten Spendern waren 2023 gleich zwei staatliche Stellen: Die Bundeskasse mit 431.000 Euro und die Landeshauptkasse NRW mit 145.000 Euro. Deren Mittel seien allerdings zweckgebunden für Projekte zur Medienbildung, erklärte „Correctiv“-Chefredakteur Justus von Daniels gegenüber dem „RedaktionsNetzwerk Deutschland“.

„Correctiv“ behauptet immer wieder, die Zuwendungen großer Stiftungen und Firmen hätten keine Auswirkungen auf seine Recherchen. Das ist realitätsfern. So musste Alice Echtermann, Leiterin der „Faktencheck“-Abteilung von „Correctiv“, im April 2021 bei einer Veranstaltung der Konrad-Adenauer-Stiftung einräumen: „Wenn man das so sehen möchte, dass so eine Finanzierung ein Indiz für fehlende Unabhängigkeit ist, können wir dem natürlich wenig entgegensetzen.“

Eigenen Angaben zufolge legt „Correctiv“ größten Wert auf Transparenz. Alle Spenden über 1.000 Euro gebe man namentlich bekannt, heißt es auf der Website des Netzwerks. Doch diese Transparenz hat Grenzen. So schweigt „Correctiv“ über die Höhe der Zahlungen, die es von Facebook für „Faktenchecks“ in dem sozialen Netzwerk bekommt. „Über die Höhe der Finanzierung sagen wir nichts, da diese Arbeit und Zahlung über die gewerbliche Tochterfirma von ‚Correctiv‘ abgewickelt wird. Und nicht über die gemeinnützige Organisation, für die das Redaktionsstatut bindend ist“, teilte „Correctiv“ 2019 dem Online-Magazin „Übermedien“ mit. Laut diesem Redaktionsstatut werde man als glaubwürdig wahrgenommen, „wenn dieselben Maßstäbe, nach denen wir andere journalistisch und kritisch beurteilen, auch für uns selbst gelten“.

Das Statut regelt auch den Umgang mit Quellen. Wollten die ihre Identität nicht offenbaren, müsse „dennoch eine offene und kritische Debatte über die Zuverlässigkeit und Vertrauenswürdigkeit der Quelle sowie über mögliche Gefahren der Instrumentalisierung durch die Quelle möglich gemacht werden“. Im Falle der jüngsten „Enthüllung“ ist das nicht passiert, obwohl sich die Frage, wer weshalb Informationen an „Correctiv“ weitergeleitet hat, aufdrängt.

Weshalb hat „Correctiv“ sechseinhalb Wochen gebraucht, um seine Rechercheergebnisse zu veröffentlichen? Weshalb bekommt eine Story so viel Platz in bürgerlichen Medien, deren Gehalt kaum über das hinausgeht, was der österreichische Nazi Martin Sellner im Juni 2023 in seinem Buch „Regime Change von rechts“ beschrieb? Wirklich überrascht hat die „Enthüllung“ schließlich niemanden, der die Rechtsentwicklung in der Bundesrepublik ernsthaft beobachtet.

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"Undurchsichtig", UZ vom 9. Februar 2024



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