Grün-Schwarzer Pakt in Baden-Württemberg besiegelt

Verlässlich, nachhaltig 
und innovativ fürs Kapital

Von Raimund Zarth

Erstmals haben die Grünen und die CDU als Juniorpartner einen Koalitionsvertrag zur Bildung einer Landesregierung vereinbart. Der 140-seitige Vertrag trägt den Titel „Verlässlich, Nachhaltig, Innovativ”. Richtiger wäre „Fragwürdig, Verzichtbar, Neoliberal”. Ministerpräsident Kretschmann sagte, man habe sich auf mehr als den „kleinsten gemeinsamen Nenner” geeinigt. Der CDU-Verhandlungsführer Strobl sieht das Land auf dem Weg in ein „digitales Musterland”.

Konkret wird wenig, das meiste als Absichtserklärung festgelegt. Bis zum Ende der Legislaturperiode sollen 1500 Polizeistellen zusätzlich geschaffen werden. Außerdem sollen „Polizeifreiwillige” im öffentlichen Raum das Sicherheitsgefühl stärken. Das Vorzeigeprojekt der Grünen in der letzten Legislaturperiode – die Kennzeichnung der Polizisten – fällt auch diesmal unter den Tisch. Dafür sollen es Body-Cams zum Schutz der Polizisten sein. Der Staatsschutz beim Landeskriminalamt wird genauso wie der Verfassungsschutz verstärkt. Eine Ermächtigungsgrundlage für die präventive Telekommunikationsüberwachung, selbstverständlich unter Richtervorbehalt, soll geschaffen werden. Aussagen zu den Kriegen, die in Stuttgart von den Kommandostellen der US-Streitkräfte, dem US-AFRICOM und dem US-EUCOM, geführt werden, fehlen.

Ein weiteres vereinbartes Ziel ist, die Schuldenbremse nicht nur einzuhalten, sondern bis zum Ende der Legislaturperiode sogar Einsparungen von rund 1,8 Milliarden Euro zu realisieren. Auch hier ist interessant, was unerwähnt bleibt: Kein Wort zur Verstärkung der Steuerfahndung im Zeitalter von Lux-Leak und Panama-Papers.

Geht es nach Grün-Schwarz, ist Fracking von Erdöl und -gas außerhalb ausgewiesener Trinkwasserschutzgebiete erlaubt.

Beim Thema Integration von Flüchtlingen bestehen nur graduelle Unterschiede zu AfD und Pegida. Ziel ist die Registrierung der Flüchtlinge im erstaufnehmenden Land und eine anschließende „gerechte” Verteilung innerhalb Europas. „Europa” und nicht EU oder Dublin-III-Vertragsstaaten dürfte hier kein Schreibfehler sein.

Weitere Vorhaben sind, den Flüchtlingen in den Erstaufnahmestellen das so genannte Taschengeld nicht mehr bar auszuzahlen, Unterstützung dabei zu leisten, die Liste der sicheren Herkunftsstaaten um Marokko, Algerien und Tunesien zu erweitern, die Residenzpflicht in den Erstaufnahmestellen konsequent umzusetzen und den Bedarf von Abschiebeplätzen regelmäßig zu prüfen.

Wie bei den Vorgängerregierungen wird postuliert, mehr Güterverkehr auf Schienen und Wasserstraßen zu verlagern. Gleichzeitig wird die Erprobung der Lang-LKW ermöglicht. Die schlechte Luft in den Städten will Grün-Schwarz mit einer blauen Plakette für schadstoffarme Fahrzeuge verbessern.

Zudem sollen günstige Fahrpreise Pendler an Tagen mit hoher Luftschadstoffbelastung in die bereits heute überfüllten Busse und Bahnen locken.

Zur Unterstützung des Projekts Stuttgart 21 gilt vorerst der mit Deutschen Bahn vor Jahren vereinbarte Kostenanteil in Höhe von 930,6 Millionen Euro. Dieser Betrag wird als anzustrebendes Limit angegeben. Da die Baukosten zwischenzeitlich um über 2 Milliarden Euro gestiegen sind und sich vermutlich verdoppeln werden, wird eine Zielanpassung irgendwann erfolgen.

Die Feststellung, dass Wohnungen für Menschen mit geringen Einkommen fehlen, wird zumindest getroffen. Aber anstatt Wohnungen zu bauen, sollen Leitlinien für die verstärkte Schaffung von Wohnraum erarbeitet werden.

Die Koalition will Baden-Württemberg verlässlich für die Kapitalisten, nachhaltig beim Sozialabbau und innovativ auf neuen Geschäftsfeldern umgestalten.

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"Verlässlich, nachhaltig 
und innovativ fürs Kapital", UZ vom 13. Mai 2016



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