Lage der Kommunen in Nordrhein-Westfalen immer dramatischer

Verschuldung steigt und steigt

Von Adi Reiher

Um die Kommunen von Nordrhein-Westfalen, besonders ihre finanzielle Ausstattung, steht es schlecht. Das ist kein Randthema, denn in den Kommunen geht es um das Eingemachte – um bezahlbare Wohnungen und einen effektiven Nahverkehr, um Freizeit- und Sportanlagen, um sauberes Trinkwasser und eine funktionale Kanalisation, eine bürgernahe Verwaltung, Stadträte, die die Interessen ihrer MitbürgerInnen wahrnehmen, um gute Schulen, genug Kita-Plätze und ein ausreichendes Kulturangebot, um Sicherheit und ein vernünftiges System von Straßen – zum Beispiel. Auch bei der Integration von Flüchtlingen und Ausländern allgemein sind besonders die Kommunen gefragt. In NRW leben zur Zeit knapp 19 Mio. Menschen davon über zwei Mio. ausländische Mitbürger, deren Zahl seit 2014 um 10 Prozent gewachsen ist. Die Bewältigung all dieser Dinge ermöglichen überhaupt erst ein vernünftiges Zusammenleben und eine echte Demokratie.

Eine Schlüsselrolle spielt dabei die finanzielle Ausstattung der Kommunen. Mitte des vergangenen Jahres gab das Statistische Landesamt NRW bekannt, dass die Städte und Gemeinden NRW‘s zum 31. 12. 2015 mit insgesamt 61,9 Mrd. Euro verschuldet waren. Damit war der Schuldenberg innerhalb von zehn Jahren um 34 Prozent gestiegen. Staatsschulden müssen nicht per se schlecht sein, wenn mit dem geliehenen Geld sinnvolle Ausgaben für die BürgerInnen getätigt werden. Aber hier sieht es in NRW genau so schlecht aus wie in der ganzen Republik. Ziemlich genau nach dem Ende der DDR begann der Ausverkauf kommunalen Eigentums und die Aushöhlung der kommunalen Selbstverwaltung. Konzerne kauften sich z. B. in die Stadtwerke ein, erhielten Gewinnbeteiligungen und bestimmten fortan maßgeblich die Strategie bei der Versorgung der Bevölkerung mit Strom, Gas und Fernwärme – natürlich mit dem Ziel der Profitmaximierung. Viele weitere Bereiche der kommunalen Daseinsvorsorge wurden privatisiert mit dem Ergebnis, dass die Kosten für die Verbraucher stiegen, die Kommunen öffentliches Eigentum verscherbelten und ihre Schulden gleichzeitig stiegen. Zentrale Stützpfeiler dieser Politik sind Bestechung durch die Konzerne und Bestechlichkeit der kommunalen Politiker. Jeder wird sich an die Skandale aus den neunziger Jahren erinnern, als in NRW (etwa Köln) zahlreiche überflüssige Müllverbrennungsanlagen gebaut wurden, die nur dem Profit ihrer privaten Betreiber dienten.

Auch der Verkauf (und die anschließende Rückmietung) von Kanalisationen, Kraftwerken, Trinkwasseranlagen, Messehallen und anderen Einrichtungen der kommunalen Infrastruktur an dubiose Investoren in den Vereinigten Staaten von Amerika (Cross Border Leasing) erwies sich als faules Geschäft. Statt der versprochenen regelmäßigen Gewinne gab es bald regelmäßige Verluste. Viele Verträge wurden zum Preis weiterer Verschuldung der Kommunen wieder aufgelöst. Ein weiteres „geniales“ Finanzinstrument war die Public Private Partnership, PPP, Öffentlich-private Partnerschaft. Jahrzehnte lang laufende Mietverträge für Schulen, Rathäuser und andere öffentliche Gebäude sollen die klammen städtischen Haushalte entlasten. Doch diese Verträge gehen in der Mehrheit zulasten der Gemeinden. Pleiten und Nachforderungen der privaten Partner sind an der Tagesordnung. In der jetzigen Zeit des billigen Geldes tritt der Irrsinn dieser Praxis besonders zu Tage.

All dies trägt zur katastropalen Finanzsituation der Städte bei. Es gab aber Ende 2015 auch zwölf Kommunen in NRW, die gänzlich ohne Schulden dastanden. Das waren Issum, Kranenburg, Langenfeld (Rheinland), Sonsbeck, Niederzier, Gangelt, Raesfeld, Reken, Velen, Olfen, Senden und Breckerfeld. Schon mal gehört? Eher nicht, oder? Unter den am höchsten verschuldeten Gemeinen finden sich dagegen fast alle Großstädte von NRW. Unter der Regierung von Hannelore Kraft hat sich an diesem Zustand kaum etwas geändert, auch wenn alle bürgerlichen Parteien der letzten 30 Jahre zu diesem Zustand beigetragen haben.

In dieser Situation ist ein Schuldenschnitt für die Kommunen, wie ihn die DKP fordert, dringend nötig. Die Daseinsvorsorge darf nicht mehr den Banken und privaten Investoren überlassen werden. Die Steuereinnahmen müssen dahin fließen, wo sie gebraucht werden. Spardiktate müssen der Vergangenheit angehören. Die Städte gehören den Menschen, nicht den Banken.

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"Verschuldung steigt und steigt", UZ vom 10. März 2017



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