Konferenz zu Vonovia sagt überteuerten ­Heizkosten den Kampf an

Weder frieren noch betteln

Christian Ulmer

In den Räumen der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Berlin fand am letzten Wochenende die Konferenz „Vonovia & Co. VERstehen & WIDERstehen“ statt. Eingeladen hatten unter anderem der Berliner Mieterverein (BMV), der Deutsche Mieterbund, kritische Immobilienaktionäre und das Bündnis „VoNO!via & Co.“, in dem sich Mieter von Vonovia, aber auch des Immobilienriesen LEG aus Göttingen bundesweit organisiert haben. Tatsächlich kamen viele Vertreter von Mieterinitiativen aus verschiedenen Teilen der BRD zusammen – aus Sachsen, dem Ruhrgebiet, Süddeutschland, Hessen oder Hamburg. Sie alle eint der Kampf gegen die unzumutbaren Wohnbedingungen vor allem beim Vonovia-Konzern.

Immobilien-AGs entstanden um die Mitte der 1990er Jahre, als bundesweit begonnen wurde, große Bestände öffentlicher oder gemeinnütziger Wohnungsunternehmen regelrecht zu verramschen und in Privatbesitz zu überführen. Immer größere Teile des Wohnungssektors wurden damit dem kapitalistischen Markt preisgegeben, übrigens unter Verantwortung sämtlicher Regierungsparteien von CDU/CSU bis hin zur damaligen PDS. Die ermöglichte bekanntlich 2004 als Teil der Berliner Landesregierung mit der SPD den Verkauf von 65.000 landeseigenen Wohnungen an dubiose Investmentgesellschaften, durch deren Hände sie sich heute in Besitz der Vonovia befinden. Die bundesweiten Verkäufe öffentlicher Wohnungen sorgten dafür, dass die großen Immobilien-AGs, finanzialisierte Wohnungskonzerne, überhaupt erst entstehen konnten. Sie fahren eine besonders krasse Bewirtschaftung ihrer Wohnungsbestände zulasten der Mieter, weil sie permanent versuchen, die Verwertung ihrer Häuser zu optimieren und den maximal möglichen Profit aus den Immobilien zu ziehen.

Vonovia, größte deutsche Immobilien-AG mit bundesweit rund 450.000 Wohnungen, hatte zuletzt in Berlin für Schlagzeilen gesorgt, weil sie zahlreichen Mietern mit den letzten Nebenkostenabrechnungen extrem überteuerte Nachforderungen für Heizkosten schickte. Diese gingen an Haushalte mit Fernwärme, die für das Jahr 2022 jeweils mehrere tausend Euro nachzahlen sollten, obwohl oft weniger geheizt worden war als im Vorjahr (siehe UZ vom 18. Januar). Betroffen sind Mieter aber bundesweit. Weil der Großkonzern mit Heizenergieeinkauf sowie Verbrauchsablesung und -abrechnung eigene Unternehmen beauftragt („Contracting“), stellt er sich selbst Rechnungen aus. Obwohl die Preise zum Beispiel für Gas stark gestiegen waren, legen derart astronomische Nachforderungen den Verdacht nahe, dass auf diese Weise Extraprofite eingefahren werden sollen.

Bereits seit Jahren leistet der „MieterInnenverein Witten“ aus dem Ruhrgebiet erfolgreichen Widerstand gegen überteuerte Heizkostennachforderungen von Vonovia. Ganze Siedlungen dort konnten die Forderungen abwehren, weil die Mieter davon überzeugt werden konnten, von ihrem Zurückhaltungsrecht Gebrauch zu machen. Es besagt, dass der Vermieter eine klar verständliche und sachlich korrekte Abrechnung vorlegen und dafür sämtliche Belege über Ablesungen, Verträge mit und Zahlungen an den Fernwärmeanbieter nachweisen muss. Erst dann müssen solche Nachforderungen durch den Mieter beglichen werden. Schafft der Vermieter dies nicht innerhalb von drei Jahren, sind die Nachforderungen hinfällig. Zumindest in Witten hat Vonovia diese Nachweise nie erbracht. Auf der Konferenz vertrat man die Überzeugung, dass der Konzern das auch in allen anderen Städten nicht könne. Der Berliner Mieterverein e. V. gab allerdings eine sehr kritische Einschätzung zu dieser Art Gegenwehr. Der Rat zum Zurückhaltungsrecht sei „unseriös“ und ein „Luftschloss“, stattdessen plädiere man für eine „Zahlung unter Vorbehalt“. Offen blieb, was an der erfolgreichen Abwehr etlicher Nachzahlungsforderungen „Luftschloss“ sein soll, ebenso wovon Haushalte mehrere tausend Euro „unter Vorbehalt“ bezahlen sollen – und wie diese dann später zurückzubekommen wären.

Einig war man sich über die Notwendigkeit gemeinsamer Gegenwehr, einer öffentlichkeitswirksamen politischen Kampagne sowie über die Forderung nach einer „sozialen Wärmewende“. Auch die Bedeutung von mehr Bündnispartnern und Kontakt der Mieterbewegung zu weiteren sozialen Bewegungen war unstrittig. Vereinzelte Bedenken kamen angesichts von Ideen einer Kontaktaufnahme zur „Letzten Generation“ auf – würden „Klimakleber“ nicht zahlreiche Mieter abschrecken, zumal viele eine künftige Verteuerung von Heizenergie mit ihnen verbinden?

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"Weder frieren noch betteln", UZ vom 29. März 2024



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