Nach Milliardenzuwächsen im Rüstungshaushalt sind weitere Steigerungen geplant

Wer bietet mehr?

Nicht nur in Sachen Waffenlieferungen findet derzeit ein regelrechter Überbietungswettbewerb statt, auch beim Rüstungshaushalt gib es schon seit einiger Zeit kaum etwas, was nicht gefordert werden könnte. Besonders der neue SPD-Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) gibt Gas – zusätzlich zu den 100 Milliarden Euro „Sondervermögen“ (sprich: Schulden) fordert er in den aktuellen Haushaltsverhandlungen für das Jahr 2024 weitere 10 Milliarden Euro „on top“ für den „normalen“ Militärhaushalt. Hier ist weiter das Märchen von der „kaputtgesparten Bundeswehr“ überaus nützlich – wohlgemerkt, das ist die Truppe, deren Budget sich zwischen dem Jahr 2000 (24 Milliarden Euro) und 2023 (50,1 Milliarden Euro) mehr als verdoppelt hat.

Aktuell sieht die – allerdings rechtlich nicht bindende – mittelfristige Finanzplanung vor, den Militärhaushalt bis zum Jahr 2026 bei diesen 50,1 Milliarden Euro einzufrieren. Trotz der Etatsteigerungen liegt er unter der von Kanzler Olaf Scholz in seiner berüchtigten „Zeitenwende-Rede“ am 27. Februar 2022 versprochenen und zuletzt immer wieder bekräftigten Zielgröße von 2 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP). Diese berechnet sich über die sogenannten NATO-Kriterien, in die eine Reihe Posten mit eingerechnet werden, die im offiziellen Militärbudget ausgeklammert sind. Für das Jahr 2023 dürften sich diese Haushaltsposten auf rund 55,65 Milliarden Euro summieren, außerdem sollen dem „Sondervermögen“ weitere 8,5 Milliarden Euro entnommen werden. Laut Jahreswirtschaftsbericht rechnet die Bundesregierung für dieses Jahr mit einem Wirtschaftswachstum von 0,2 Prozent und im kommenden Jahr mit 1,8 Prozent. Zwei Prozent des BIP würden demzufolge einen Militärhaushalt von rund 77 Milliarden Euro (2023) beziehungsweise 79 Milliarden Euro (2024) bedeuten.

In diesem Jahr wird also selbst mit dem Sondervermögen die Scholzsche 2-Prozent-Latte gerissen. Bei den bisherigen Planungen müssten deshalb die Entnahmen aus dem Sondervermögen 2024 massiv erhöht werden, um wieder in die 2-Prozent-Spur zu kommen. Doch selbst dieses Verfahren würde nur bis zum Jahr 2026 funktionieren, dann nämlich muss das Sondervermögen per Gesetz aufgebraucht sein. Bleibt es bei den gegenwärtigen Haushaltsplanungen, würde der offizielle Haushalt 2026 nach NATO-Kriterien weiterhin rund 55 Milliarden Euro betragen, müsste dann aber für 2027 auf einen Schlag – je nachdem, wie sich das BIP entwickelt – um 35 bis 40 Milliarden Euro angehoben werden. Bei Einhaltung der Schuldenbremse wäre dies nur über einen Kahlschlag in nahezu allen anderen Ressorts zu bewerkstelligen. Paradoxerweise nehmen dies nun Pistorius und andere zum Anlass, um schon für das kommende Jahr neben dem Sondervermögen auch einen steigenden Militärhaushalt zu fordern. Nachfragen sind allerdings unerwünscht. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) erklärte kürzlich im „Bericht aus Berlin“, die Haushaltsberatungen würden, „wie das üblich ist“, nicht öffentlich geführt.

Und als ob das nicht schon genug wäre, wird aktuell innerhalb der NATO eifrig darüber diskutiert, das 2-Prozent-Ziel (das im Übrigen nie ein Ziel, sondern ein unverbindlicher Richtwert war) „anzupassen“. Beim Vilnius-Gipfeltreffen im Juli soll ein Vorschlag vorgelegt werden, der aktuell so aussehen könnte, die 2 Prozent als nun tatsächlich verbindliche Untergrenze einzuziehen und einen neuen wünschenswerten Richtwert deutlich darüber auszuloben. Damit wäre dann der vorläufige Gipfel der Rüstungsabsurditäten erreicht: eine Absenkung des Militärhaushaltes wäre dann nur noch in einer Rezession möglich.

Unser Autor ist Geschäftsführender Vorstand der Informationsstelle Militarisierung (IMI) in Tübingen.

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"Wer bietet mehr?", UZ vom 3. März 2023



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