Die Null-Covid-Strategie der Volksrepublik

Wie lang bis zum Ziel?

China-Kolumne

Seitdem Anfang 2020 in Wuhan eine aggressivere Mutation der bekannten Corona-Virengruppe identifiziert und analysiert werden konnte, verfolgt die VR China konsequent die Strategie des Aufspürens und Zerschlagens der Virusketten: „Null Covid“. Und das mit Erfolg. Xi’an, die alte Hauptstadt mehrerer Kaiserdynastien mit heute 13 Millionen Einwohnern, konnte nach fast vier Wochen Quarantäne letzte Woche wieder zum normalen Leben zurückkehren. Tote gab es keine.

Nicht umsonst ist China auch 2022 wieder Weltspitze beim allgemeinen Vertrauen der Menschen in ihr Land und ihre Regierung (91 Prozent, plus 9, Vertrauen in die Regierung, USA: 39 Prozent, minus 3, so das neueste US-Edelman Trust Barometer). Und das hat etwas mit Menschenrechten zu tun: Wäre in China ein Menschenleben so wenig wert wie in den USA, hätte das Land rund 3,8 Millionen Corona-Tote zu verzeichnen (statt der 5.000 von Anfang 2020).

060703 Portrait Elsner - Wie lang bis zum Ziel? - Corona-Pandemie, Olympische Winterspiele 2022, VR China - Internationales

Deutsche Manager, Mittelständler und Ingenieure haben vielfach die Kosten einer dreiwöchigen Quarantäne in speziellen Hotels auf sich genommen, um die Geschäfte der deutschen Industrie in China weiterbetreiben zu können. Sie wollen davon profitieren, dass das Land seit Frühsommer 2020 praktisch wieder coronafrei ist, keine weiteren Toten zu verzeichnen hat und die Wirtschaft boomt. Nach neuesten Umfragen unter 600 deutschen Firmen in der VR China wollen 71 Prozent ihre dortigen Investitionen 2022 erhöhen. Aber die Kosten von drei Wochen Quarantäne-Hotel können sich normale China-Interessierte nicht leisten.

Klar ist: Vor Ende der angelaufenen Olympischen Winterspiele und der anschließenden Paralympics im März wird sich an der Null-Covid-Politik des Landes gar nichts ändern. Alle Fachleute wissen: Der Auslöser der Wuhan-Mutation war, nachdem das Virus in harmloseren Varianten bereits lange um die Welt war, die Militärolympiade in Wuhan Ende Oktober 2019. Hier kamen 3.000 Militärsportler aus aller Welt zusammen, darunter etwa 300 US-Militärs, dazu Zehntausende Helfer – ein Eldorado für das Virus und seine Mutationsmöglichkeiten. Da muss man niemandem unterstellen, das Virus absichtlich eingeschleppt zu haben. Aber diese Erfahrung Chinas sitzt tief. Das wird nicht noch einmal passieren, und man wird diesmal eher zu viel als zu wenig vorsichtig sein. Die westliche Boykott-, Kampf- und Kriegspresse wartet auch nur darauf, dass etwas passiert, und jubelt schon bei den kleinsten Infektionsfällen in der Volksrepublik: „Null Covid gescheitert!“

Von der staatlichen Konzeptionslosigkeit und Handlungsunfähigkeit des Westens muss schließlich abgelenkt werden. Der Westen stellt dem Virus so dauerhaft das Paradies für weitere Mutationen bereit und hofft aufs Impfen und „natürliche“ Herdenimmunität, aufs Aussitzen. Ein paar Tausend Tote mehr, und wir haben es in ein paar Jahren ausgestanden …

Nach zwei Jahren Pandemie ist die Welt in Sachen Corona gespalten, die alten Wertschöpfungsketten sind beschädigt. China ist wieder zum Produktionsstandort der Welt geworden, ohne es zu wollen. Es baut über die Neuen Seidenstraße neue Wertschöpfungsketten auf. Aber das Land hatte geplant, auf ein Wachstum von unter 6 Prozent zu kommen, und lag dann im vorigen Jahr ungewollt bei 9. Das will keiner, auch nicht die VR China, denn dort will man die Binnenökonomie stärken und den Außenhandel ins Gleichgewicht bringen. Auch dass der Westen produktionsmäßig nicht wieder auf die Beine kommt, ist nicht im Interesse des Landes.

Wann und wie also geht es weiter? In China werden wir weiterhin Messen, Testen, Sequenzierungen des Virus, flächendeckendes Impfen, gegebenenfalls Maskentragen, Distanz und auch vereinzelte lokale Lockdowns sehen. Mit Omikron ist das Risiko schwerer Verläufe im Moment zumindest relativ begrenzt. Also werden auch die Chinesinnen und Chinesen eine gewisse natürliche Immunität in zwei bis fünf Jahren erreicht haben, und SARS-Covid-19 wird hoffentlich eine beherrschbare Krankheit werden wie die Grippe. In China ohne Tote – im Westen könnte etwas Ähnliches eintreten, mit mehr Chaos und mehr Toten. In zwei bis fünf Jahren hätten wir dann mit Glück eine weltweit beherrschbare Krankheit. Und könnten uns darauf freuen, ein Land des menschlichen Fortschritts ohne Quarantäne bereisen zu können.

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"Wie lang bis zum Ziel?", UZ vom 11. Februar 2022



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