Zu einer merkwürdigen Diskussion …

Von Kurt Baumann, Hamburg

Die Hamburger Komission für Marxistische Theorie und Bildung bekam vom Bezirksvorstand den Auftrag, die Leitantragsdiskussion für die Hamburger Bezirksorganisation und die Grundorganisationen zu organisieren und zu strukturieren. Anstelle einer Orientierung auf das nötige Kontextwissen zur Diskussion des Leitantrags, anstelle einer gliedernden Zusammenfassung oder eines Abgleichs mit den bekannten Dokumenten, etwa dem Parteiprogramm – all das hätte den Gruppen geholfen – stellten die Autoren eine Sammlung von Kritikpunkten am Papier zusammen. Da das Papier nun im Referat von Hans-Peter Brenner auf der PV-Tagung auftauchte, ist es Teil der Diskussion und sollte also zumindest nicht unkommentiert stehen bleiben.

Zunächst zu einer Begrifflichkeit: Direkt in den ersten Sätzen des Textes wird behauptet, durch die Kontinuität in den Aussagen zur Antimonopolistischen Demokratie solle eine inhaltliche Brücke zur Parteiopposition geschlagen werden. Nun gehe ich davon aus, dass hier die „rechte“ Opposition gemeint ist, soweit sie sich noch in der Partei befindet. Sicher ist es richtig, dass, wie der Text weiter schreibt, nicht inhaltliche Kompromissformulierungen, sondern politische Praxis Wahrheitsfindung bringen. Damit würde dem PV unterstellt, er würde Kompromissformulierungen suchen anstatt die Wahrheit erkennen zu wollen. Harter Tobak, und ein Beleg dafür? Keine Spur. Vielmehr bewegt sich diese Anschuldigung auf der Ebene einiger Beiträge aus Tübingen und Frankfurt. Auch dort findet sich kein Beleg. Dafür aber eine andere Parallele: geringe Quellenkenntnis.

Die DKP strich in der Programmdebatte bis 2006 bewusst die Formulierung der antimonopolistischen Demokratie. Das Herankommen wurde nun als Phase antimonopolistischer Umwälzungen beschrieben, das sollte dem Umstand abhelfen, dass in der Formulierung des 78er Programms die Prozesshaftigkeit der Beschreibung schließlich dazu führte, dass man zu genau, zu detailliert war. Nun ist es ja nicht schlimm, diese Debatten nicht zu kennen, live mitbekommen hat sie auch der Autor dieser Zeilen nicht. Aber nachlesen kann man das ganze schon, im Erklärungsband zum Programm von 1978 und in einem erklärenden Artikel in den Marxistischen Blättern von 2005 (Willi Gerns und Herbert Mies im Interview mit Robert Steigerwald: Weg und Ziel der DKP, Frankfurt am Main 1978, und Willi Gerns, Nina Hager: Kontinuität und Erneuerung im Programmentwurf der DKP, in: Marxistische Blätter 3/2005).

Kommen wir zum zweiten Punkt (obgleich es noch mehr gäbe, aber die Zeichenzahlbegrenzung fordert ihren Tribut): Der Frage der Monopole. Zum einen wird kritisiert, dass Marx nicht zitiert werde, die Erkenntnis der Produktionsverhältnisse müsse aber da beginnen. Es ließe sich leicht die Polemik entwickeln, dass oben im Papier die Übereinstimmung mit den Zitaten der Klassiker zugunsten der realen Politik herabgestuft wird, um nun zu kritisieren, dass Marx nicht auftaucht. Aber der Kern ist der, dass die Forderung nach Marx beinhaltet, das Monopol nicht als neues Produktionsverhältnis zu sehen, als das es durch Lenin beschrieben wurde. Es soll vielmehr eine Beschreibung des Kapitalismus der freien Konkurrenz auf den Monopolkapitalismus angewendet werden. Das wiederum geht – natürlich – schief.

Anstatt den Opportunismus aus den neuen Lebensverhältnissen (eben dem neuen Produktionsverhältnis, also umfassend) zu schließen, sind es die Monopole, die hier Teile der Arbeiterklasse bestechen. Eine ökonomistische Verkürzung, die nebenbei auch nicht die Ideologie analysiert, mit der das funktioniert, dies wird dann auch nicht auf die reale Praxis der Klasse und ihrer Interessenvertreter zurückgeführt, es bleibt Bestechung anstelle des „Ergebnisses einer ganzen sozialen Epoche“ (Lenin).

Dann wenden sich die Kritiker der Stamokap-Theorie zu: richtigerweise wird die Einbeziehung auch der kleinen und mittleren Bourgeoisie in den Bereich der Monopole beschrieben. Ähnlich wie das aber zum Beispiel die Tübinger analytische Glanzleistung vollbringt, resultiert hier aus einer Abhängigkeit kein Widerstandspotential: nach derselben Logik wären auch die Arbeiter abhängig vom Kapital und könnten sich nicht wehren. Eine Abhängigkeit erzeugt immer auch Widersprüche und damit die Widerstandspotenz. Aus der Formulierung des Programms herauslesen zu wollen es handle sich, nur weil die Potenz des Wiederstandes aufgrund von Widersprüchen vorhanden sei, auch um einen Widerspruchszwang, ist nun eine sehr freie Interpretation.

Im gleichen Absatz werden die Monopole in ein Interessengeflecht mit den Banken gestellt, ohne sich dabei auf Lenin zu beziehen. Die Verschmelzung des Industrie- und Bankkapital bringt die Monopole hervor. Banken gleichberechtigt neben die Monopole zu stellen zeugt davon, dass man diese für eine Art großen – oder auch besonders großen – Betrieb hält. Die Analyse des Produktionsverhältnisses Monopol fällt dabei weg.

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"Zu einer merkwürdigen Diskussion …", UZ vom 15. Dezember 2017



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