Beschäftigte von Norma streikbereit für Sozialtarifvertrag

Zukunft statt Stellenabbau

Die Geschäftsleitung des Autozulieferers Norma plant den Kahlschlag: Sie will das Werk im thüringischen Gerbershausen mit 150 Beschäftigten schließen und die Produktion nach Tschechien verlagern. Zudem wollen sie bis zu 200 der rund 520 Arbeitsplätze im Werk Maintal bei Frankfurt/Main vernichten und die Löhne um bis zu 1.000 Euro im Monat kürzen.

Doch die Geschäftsleitung hat die Rechnung ohne die Beschäftigten gemacht. Die Belegschaft will kämpfen, gemeinsam mit der IG Metall. Am Mittwoch der vergangenen Woche haben sie ihre Tarifforderungen zeitgleich in Gerbershausen und Maintal an die Geschäftsleitung übergeben: Sie wollen gemeinsam mit dem Management Zukunftsperspektiven entwickeln – statt Jobabbau. Dazu haben sie mit Hilfe der IG Metall Vorschläge für einen „Zukunftspakt 2030“ entwickelt.

Dieser Zukunftspakt enthält die Forderungen:

  • Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen und Sicherung der Standorte bis 2030
  • Verbot von Verlagerungen und Teilschließungen, Garantie einer Mindestzahl von Beschäftigten bis 2030
  • Garantien für Ausbildungsplätze und Übernahmen
  • Einsatz von Leihbeschäftigten nur im Ausnahmefall
  • Garantien von Investitionen
  • Gemeinsames Projekt „Wir gestalten Zukunft“ unter Beteiligung des Betriebsrats und der IG-Metall-Mitglieder

Für den Fall, dass die Geschäftsleitung nicht über die Zukunft reden will und an ihren Kahlschlagplänen festhält, fordern die Kolleginnen und Kollegen einen Sozialtarifvertrag mit Abfindungen, einer Transfergesellschaft und einem Bonus für IG-Metall-Mitglieder. Dafür sind sie auch bereit zu streiken.

In diesem Sozialtarifvertrag soll nach Willen der Beschäftigten festgeschrieben werden

  • Abfindungen in Höhe von drei Brutto-Monatsgehältern pro Beschäftigungsjahr
  • Bonus für IG-Metall-Mitglieder in Höhe des doppelten IG-Metall-Beitrags, den sie während ihrer Zeit bei Norma gezahlt haben
  • eine Transfergesellschaft, in der Beschäftigte 12 Monate lang zu 85 Prozent ihres bisherigen Lohns weiterbeschäftigt und für neue Jobs qualifiziert werden.

Bereits vor Bekanntwerden der Pläne der Geschäftsleitung waren die Kolleginnen und Kollegen gut in der Gewerkschaft organisiert. Mittlerweile sind fast alle Beschäftigten bei Norma in die IG Metall eingetreten, auch Führungskräfte. Und immer mehr arbeiten aktiv mit und engagieren sich offiziell als Vertrauensleute der IG Metall.

„Sie haben es jetzt in der Hand, mit der Belegschaft gemeinsam Zukunftsperspektiven zu entwickeln“, macht Robert Weissenbrunner, Erster Bevollmächtigter der IG Metall Hanau-Fulda, der Geschäftsführung bei einer Demonstration in der vergangenen Woche per Megafon klar. „Wenn sie diese ausgestreckte Hand ausschlagen, dann ist diese Belegschaft bereit, in den Arbeitskampf zu ziehen.“

Bei der Demonstration im Rahmen einer dafür unterbrochenen Betriebsversammlung waren fast alle derzeit anwesenden Beschäftigten dabei, auch die Nachtschicht, die dafür bereits um 1 Uhr nachts die Arbeit beendete. Die Geschäftsleitung habe ihnen zwar mit „arbeitsrechtlichen Konsequenzen“ gedroht – doch sie lassen sich nicht einschüchtern.

Bei der Betriebsversammlung – mit strengem Corona-Hygienekonzept – ließen die Beschäftigten 200 Luftballons steigen, als Symbol für die 200 bedrohten Arbeitsplätze in Maintal.

„Wie mit uns umgegangen wird, ist einem deutschen Unternehmen im Jahr 2020 nicht würdig“, kritisiert der Betriebsratsvorsitzende Klaus Ditzel in seiner Rede. „Sie schikanieren, drangsalieren, drohen. Sie sagen uns nicht, was genau sie eigentlich wollen. Und unsere Vorschläge werden abgebügelt. Aber diese Belegschaft wehrt sich jetzt. Wir wollen einen Plan, Perspektiven für uns und unsere Familien.“

Die Beschäftigten können nicht verstehen, warum die Geschäftsleitung ihre Arbeitsplätze vernichten will. Jahrelang hat Norma durch ihre Arbeit Margen von bis zu 17 Prozent eingefahren. Norma beliefert fast alle deutschen Autohersteller insbesondere mit Schlauchschellen. Selbst jetzt in der Corona-Krise erzielt Norma noch ordentliche Gewinne.

Dennoch will die Geschäftsleitung schließen, abbauen und Löhne kürzen. Zudem will sie die Ausbildung einstellen und Auszubildende nicht mehr übernehmen. „Get on track“, nennt sie ihr Kahlschlagprogramm.

Den Beschäftigten ist bewusst: Niemand, auch die IG Metall nicht, kann ihnen versprechen, dass der Kampf um ihre Arbeitsplätze am Ende Erfolg haben wird. Dennoch wollen sie kämpfen. „Wir hoffen, dass es klappt“, meint ein Beschäftigter aus der Verpackung. „Wir müssen kämpfen. Ich denke, ohne Streik können wir hier gar nichts erreichen.“

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"Zukunft statt Stellenabbau", UZ vom 28. August 2020



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