Tarifrunde Deutsche Bahn AG: Das Schlichtungsverfahren hat begonnen

Schlichtung statt Streik?

Nachdem der Bundesvorstand der EVG die mit der Deutschen Bahn AG (DB AG) ausgehandelte Schlichtungsvereinbarung in der letzten Woche bestätigt hatte, begann am vergangenen Montag die Schlichtung. Innerhalb von zwei Wochen soll es ein Ergebnis geben, spätestens am 31. Juli werden die Schlichter also einen Vorschlag zur Einigung präsentieren. Für die Unternehmensseite wurde der CDU-Politiker Thomas de Maizière als Schlichter benannt. Die von der Gewerkschaft benannte Schlichterin ist Heide Pfarr, Professorin für Arbeits- und Wirtschaftsrecht und ehemalige Geschäftsführerin der Hans-Böckler-Stiftung.

Sobald das Schlichtungsergebnis vorliegt, will der Bundesvorstand der EVG eine Bewertung vornehmen, eine Empfehlung aussprechen und Mitte August die Urabstimmung einleiten. Sollten mindestens 75 Prozent der an der Abstimmung teilnehmenden EVG-Mitglieder gegen das Schlichtungsergebnis stimmen, wird die Gewerkschaft zu einem unbefristeten Arbeitskampf aufrufen. Das Quorum von 75 Prozent ist in der Satzung der EVG festgelegt. Es handelt sich dabei um eine bei allen Gewerkschaften gleich hohe Hürde, die vor dem Aufruf zu einem unbefristeten Arbeitskampf genommen werden muss. Um den nötigen Diskussionen breiten Raum zu geben, ist von der EVG geplant, die 14 Tage nach der Verkündung des Schlichtungsergebnisses bis zum Beginn der Urabstimmung zu nutzen, um in zahlreiche Basisveranstaltungen – in Präsenz und Digital – die Inhalte zu debattieren.

Tatsächlich hat die Debatte aber längst begonnen – auf allen Ebenen. Grundlage der Diskussion sind die derzeit 20 Tarifabschlüsse, die die EVG mit kleineren Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) bereits abgeschlossen hat. Nach der Zustimmung aller Tarifkommissionen dieser Unternehmen hat der Bundesvorstand der EVG diese Abschlüsse bestätigt. Im Kern sehen sie 420 Euro Lohnerhöhung in zwei Stufen in den Tabellen vor sowie Einmalzahlungen aus der so genannten „Inflationsausgleichsprämie“, bei einer Laufzeit von 21 Monaten.

Im Durchschnitt liegen die Abschlüsse nach Aussagen der Gewerkschaft zwischen 12 und 15 Prozent. Hinzu kommen noch unternehmensspezifische Details der verschiedenen EVU. Damit liegen sie oberhalb des letzten Angebotes der DB AG, weshalb viele Mitglieder in der DB AG davon ausgehen, dass sich die Schlichtung auf diese Abschlüsse fokussiert. Doch diese entsprechen nicht den Erwartungen zahlreicher Mitglieder. Das macht ein offener Brief einer Betriebsgruppe der IT-Firma der DB AG an den EVG-Bundesvorstand deutlich: „Vor allem die Laufzeit und die tabellarisch erst sehr spät wirksame Lohnerhöhung können und wollen wir so nicht hinnehmen. Für uns bedeutet dieses Angebot (gemeint ist das letzte der DB AG, R. P.) einen Reallohnverlust. Zu unserem großen Bedauern ist der Inflationsausgleich (…) nun doch enthalten.“

Die Kolleginnen und Kollegen befürchten, dass ein Streik verhindert werden soll. Im Weiteren verweisen sie auf das Verhandlungsverhalten des Unternehmens, das schon längst zum Scheitern der Verhandlungen und einer Urabstimmung hätte führen müssen. Beklagt wird eine zu lasche Verhandlungsführung. Meinungen dieser Art gibt es in vielen Diskussionen. Allerdings kursieren auch viele Falschmeldungen mit angeblich von der EVG gemachten Kompromissen. Die Gewerkschaft sah sich deshalb veranlasst, eine Information über „Fake-News im Umlauf“ für ihre Funktionäre zu verfassen. Gerade in den sozialen Medien werden Informationen verbreitet, die auf solchen Falschmeldungen beruhen. Fakt ist wohl, dass die bis dahin transparente und offene Kommunikation innerhalb der Gewerkschaft nach der Absage des 50-Stunden-Streiks bei der DB AG (UZ vom 19. Mai) einen Bruch erlitten hat. Hintergrund ist der vor dem Frankfurter Arbeitsgericht geschlossene Vergleich und das damit verbundene Bemühen der EVG, ihr öffentliches Vorgehen erst einmal rechtlich abzusichern.

Die Diskussionen innerhalb der EVG zeigen aber deutlich, dass es den Beschäftigten vor allem um einen guten Abschluss geht. Die bisherigen „Angebote“ der DB AG empfinden sie als eine Beleidigung. Somit ist der Ausgang dieser Tarifrunde noch völlig offen.

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"Schlichtung statt Streik?", UZ vom 21. Juli 2023



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