Gegen Ausflaggen der Schiffe und Dumping der Löhne

Aktionswoche in den Häfen

Von Mirko Knoche

ver.di, die Gewerkschaft, die auch Seeleute organisiert, geht auf Konfrontationskurs zu deutschen und internationalen Reedern. Denn das Ausflaggen von Schiffen an Billigflaggen-Staaten geht unvermindert fort, Heuern für Seeleute werden häufig nicht bezahlt, Schiffsbesatzungen müssen tarifvertragswidrige Arbeiten verrichten. ver.di hat darauf verschiedene Antworten parat. Erst in der vegangenen Woche halfen Gewerkschaftsmitglieder den Kontrolleuren der Internationalen Transportarbeiter-Föderation (ITF) bei einer Aktionswoche in den deutschen Seehäfen. Sie bestiegen 42 Schiffe, die in die Häfen einliefen und untersuchten, ob die Tarifverträge der ITF eingehalten werden.

Während der Besuche auf den Seeschiffen brachten die ITF-Kontrolleure nicht nur in Erfahrung, ob die Bezahlung stimmt und die Arbeitszeiten eingehalten werden. Sie erkundeten schwerpunktmäßig auch, ob die Seeleute Containerbefestigungen lösten, um den Umschlag der Blechkisten im Hafen zu beschleunigen. Diese Lasch­arbeiten dürfen nur die Arbeiter an den Kaianlagen ausführen. Diese Praxis wird Hafenarbeiterprivileg genannt. Sie hat den Zweck, die Sicherheit der Seeleute vor ungesicherter Ladung und vor Überarbeitung zu garantieren. „Wir haben uns letzte Woche auf Feeder-Schiffe konzentriert, das sind kleinere Frachter, die Waren aus den deutschen Seehäfen in die Ostsee bringen“, sagte der ver.di-Bundesfachgruppenleiter Seeschiffahrt, Klaus Schroeter, auf UZ-Nachfrage, „fast die Hälfte dieser Schiffe hält sich nicht an die geltenden Tarifbestimmungen.“

Wenn es hart auf hart kommt, boykottieren die Hafenarbeiter gelegentlich ganze Schiffe und entladen sie erst, wenn die Kapitäne die Tarifbestimmungen einhalten oder wenn Tarifverträge mit den Eignern noch am Liegeplatz abgeschlossen werden. So berichtet das aktuelle Seeleute-Bulletin der ITF von einer entsprechenden Aktion gegen ein Billigflaggenschiff im dänischen Hafen Esbjerg im letzten Jahr. Sie endete mit dem Abschluss eines ITF-Tarifs. Auch in Bremen wurde ein türkisches Schiff letztes Jahr boykottiert, um nach sieben Stunden unter Tarifhoheit gebracht zu werden. Noch bleiben solch drastische Maßnahmen eine Ausnahme. Die ITF und die Europäische Transportarbeiter-Föderation (ETF) bereiten allerdings für den Herbst eine Europäische Laschenkampagne vor. Dann soll das Verbot von Laschertätigkeiten durch Seeleute mit weiteren Kontrollen und vor Gericht durchgesetzt werden, so Mendrzik auf einem Workshop, der bereits im Mai stattfand.

Doch nicht nur an Bord der Handelsschiffe hat sich der Ton verschärft. Auch auf politischem Parkett setzt ver.di auf Konfrontation. Ende Juni stieg die Gewerkschaft aus dem „Maritimen Bündnis“ aus, einer Allianz mit den Reedern und der Bundesregierung. Dort seien nur die Interessen der Reeder von Belang gewesen seien, kritisierte Christine Behle vom ver.di-Bundesvorstand im jüngsten Schifffahrtsreport. So habe die Bundesregierung den Schiffseignern die Lohnsteuer geschenkt, erlasse ihnen ab 2017 die Sozialabgaben und senke die Mindestbesatzung mit deutschen Seeleuten auf deutschen Frachtern ab nächstem Sommer von vier Mann auf ein bis zwei Mann. Deutsche Schiffsmechaniker werde es mittelfristig überhaupt nicht mehr geben. ver.di hatte sich vom Maritimen Bündnis den Erhalt von Arbeitsplätzen in der deutschen Seeschifffahrt erhofft.

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"Aktionswoche in den Häfen", UZ vom 16. September 2016



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