Privater Klinikbetreiber kündigt Streikende fristlos

Ameos läuft Amok

Mehr als als 1.800 Beschäftigte der Ameos-Kliniken in Bernburg, Aschersleben-Staßfurt, Schönebeck und Haldensleben beteiligten sich im Dezember an Warnstreiks. Sie wollen damit an den ehemals kommunalen Kliniken im Salzlandkreis Tarifverträge und bessere Bezahlung durchsetzen. Seit der Übernahme der Kliniken in Sachsen-Anhalt im Jahr 2012 hat Ameos die Bezahlung eingefroren, weshalb die Reallöhne von Jahr zu Jahr sinken. Mittlerweile verdienen beispielsweise Krankenpflegekräfte nach Berechnungen der Gewerkschaft ver.di durchschnittlich 500 Euro monatlich weniger als ihre Kolleginnen und Kollegen in anderen Akutkrankenhäusern der Region.

Unmittelbar vor den Weihnachtsfeiertagen hat der private Klinikbetreiber 20 der Streikenden fristlos gekündigt. Bei den Gekündigten handelt es sich überwiegend um Pflegekräfte, auch ein Arzt sowie ein Mitglied der Streikleitung sollen von den Kündigungen betroffen sein. In gleichlautenden Schreiben wird ihnen „respektloses Verhalten“ gegenüber Mitarbeitern, Patienten und Vorgesetzten vorgeworfen. Laut dem „Ärzteblatt“ begründet Regionalgeschäftsführer von Ameos Ost, Lars Timm, die Kündigungen mit Erlösausfällen, auf die das Unternehmen reagieren müsse.

„Das kann nur als dreister Versuch gewertet werden, die Beschäftigten einzuschüchtern und davon abzuhalten, ihr Grundrecht auf Streik wahrzunehmen“, erklärte Bernd Becker, der bei ver.di in Sachsen-Anhalt für das Gesundheits- und Sozialwesen zuständig ist. „Es ist offensichtlich, dass man mit den Kündigungen Druck auf die Beschäftigten ausüben will, damit diese von ihren berechtigten Forderungen nach einen Tarifvertrag Abstand nehmen“, kritisierte Becker. Nach Informationen der UZ haben die gekündigten Kolleginnen und Kollegen Kündigungsschutzklagen eingereicht.

Bernd Becker verwies darauf, dass Lars Timm bereits in der Vergangenheit durch brachiales – und erfolgloses – Vorgehen gegen gewerkschaftlich aktive Beschäftigte aufgefallen sei. 2016 hatte er in seiner damaligen Funktion am Ameos-Klinikum Hildesheim während eines Streiks mehrere Beschäftigte mit Kündigungen und Versetzungen drangsaliert. „Die Kolleginnen und Kollegen in Niedersachsen ließen sich nicht einschüchtern. Am Ende musste Ameos alle Kündigungen zurücknehmen und einen Tarifvertrag auf dem Niveau des öffentlichen Dienstes schließen“, bilanzierte Becker.

Bislang verweigert das in der Schweiz ansässige Unternehmen Ameos Tarifverhandlungen mit ver.di und bietet den einzelnen Beschäftigten stattdessen ein sogenanntes Zukunftspaket an. Mit Lohnsteigerungen von durchschnittlich 1,8 Prozent pro Jahr bleibt es weit hinter dem Niveau des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst (TVöD) zurück. Eine Bezahlung, wie sie ver.di fordert, bekomme Ameos laut Aussagen seines Geschäftsführers nicht finanziert. Er drohte mit dem Abbau von Arbeitsplätzen und damit, dass Köpfe rollen, sollten am 27. Dezember nicht 85 Prozent des Pflegepersonals dem vorgelegten „Zukunftspaket“ zustimmen.

ver.di hat nun eine Urabstimmung über unbefristete Streiks angekündigt. Es werde davon ausgegangen, dass die Urwahl Anfang Januar durchgeführt werde.

Auch an anderen Ameos-Standorten wird diese Auseinandersetzung mit großem Interesse verfolgt. Zum 1. Januar hat der Konzern die Einrichtungen des Katholischen Krankenhauses Oberhausen übernommen. Nun ist dort zu erwarten, dass die Häuser durch hohe Auslastung, Spezialisierung und Vernetzung möglichst schnell profitabel gemacht werden sollen. Innerhalb der nächsten 100 Tage droht die Auslagerung aller Service- und Verwaltungsbereiche in Tochtergesellschaften.


Ameos ist eine Unternehmensgruppe, die Gesundheitseinrichtungen überwiegend in Deutschland betreibt, ihren Sitz aber in der Schweiz hat. Sie beschäftigt etwa 12.000 Kolleginnen und Kollegen an 38 Standorten mit etwa 8.000 Betten/Plätzen in insgesamt 68 Einrichtungen.

Die derzeitige Bilanzsumme der Ameos-Gruppe beträgt nach eigenen Angaben rund 870 Mio. Euro, die Erlöse rund 740 Mio. Euro.

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Kritischer Journalismus braucht Unterstützung, um dauerhaft existieren zu können. Daher laden wir Sie ein, die UZ als Wochenzeitung oder in der digitalen Vollversion 6 Wochen kostenlos und unverbindlich zu testen. Sie können danach entscheiden, ob Sie die UZ abonnieren möchten.

✘ Leserbrief schreiben

An die UZ-Redaktion (leserbriefe (at) unsere-zeit.de)

"Ameos läuft Amok", UZ vom 3. Januar 2020



    Bitte beweise, dass du kein Spambot bist und wähle das Symbol Stern.



    UZ Probe-Abo [6 Wochen Gratis]
    Unsere Zeit