Digitalisierung muss akzeptiert werden

Arbeit neu

Von Frank Schumacher

Mit dem Segen von Hubertus Heil (SPD), Minister für Arbeit und Soziales, wurde mit medialem Getöse die „Denkfabrik Digitale Arbeitsgesellschaft: Arbeit neu denken“ in Berlin vorgestellt. Bertelsmann Group und McKinsey sind Paten bei der Taufe, schließlich haben sie ein originäres Interesse daran, dass dieser „Think Tank“ in ihrem Sinne arbeiten wird. Behauptet wird, dass die vage Schätzung der OECD stimme, dass in über einem Drittel aller Berufe zwischen 50 und 70 Prozent die Tätigkeiten neu ausgerichtet werden. Und das alles geschehe in einem Zeitraum von zehn bis fünfzehn Jahren. Das wichtigste Schlagwort für die Akteure ist „Transformation“, soll heißen, die Veränderungen durch neue, angeblich innovative Technologien greife tief in die Arbeitswelt ein. Produktionszyklen, Wertschöpfungsketten und Geschäftsmodelle hätten sich schon stark verändert, diese Transformation nehme rasant zu. Die Arbeitsorganisation führe zu anderen Fähigkeiten und Qualifikationen und verändere dadurch auch die Berufe selbst. Wohin soll nun die Reise gehen? Mit wissenschaftlichen Methoden der strategischen Vorausschau will die Denkfabrik Trends in Technologie, Ökonomie und Gesellschaft „beobachten“ und will einen Forschungsbedarf benennen und mit welchen Partnern aus Wissenschaft und Praxis kann Erkenntnisbedarf identifiziert und können Forschungslücken gefüllt werden?

Hubertus Heil und seine Mannschaft formulieren einen klaren Auftrag an die Truppe: Die Transformationen durch das, was Digitalisierung in den Arbeitsprozessen bedeutet, soll durch die Entwicklung von Selbsttechniken so organisiert werden, dass die Mehrwertschöpfung noch mehr verschwimmt im Bewusstsein der Akteure. Wer durch immer flexiblere Arbeitszeitmodelle seine Selbstausbeutung als ausgewogene Balance von Beruf und Privatleben kaum noch wahrnimmt, wer durch „Home-Office-Job“ kaum noch Kenntnis hat, wer seine Kolleginnen und Kollegen sind, wird schwerlich für betriebliche Kämpfe zu gewinnen sein. In den ersten Texten der neuen „Denkfabrik“ wird der gesellschaftliche Dialog beschworen, der „soziale Zusammenhalt“ soll erhalten, ja sogar gestärkt werden. Wenn man liest, wer nun eingeladen ist, sich als relevanter Teilnehmer einzubringen (auch ein schönes neudeutsches Wort), der vermisst so einige gesellschaftliche Kräfte. Gewerkschaften sind weniger gemeint, kritische Wissenschaftler ebenso, dafür Akteure der Praxis, worunter man das Management der Industrie versteht.

Ganz vorne will man sein bei Themen wie Künstliche Intelligenz und Plattformökonomie, wenig findet man zu Themen wie Datenschutz. Hinauslaufen wird die ganze Anstrengung auf Forderungen an die arbeitenden Menschen, sich um ihre Qualifikationen gefälligst selbst zu kümmern, sich nicht länger mit tariflich gesicherten Arbeitsverhältnissen aufzuhalten. Und wer nicht mitspielen will bei der großartigen „Transformation“, der fällt nicht nur hinten runter und raus, sondern – dafür hat der liebe Hubertus seine Bundesagentur für Arbeit – gerät in die Hartz-IV-Falle einschließlich der kreativ ausgebauten Sanktionen.

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"Arbeit neu", UZ vom 26. Oktober 2018



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