Der Anstieg der Zinsen fordert erste Opfer

Arme Banken

Kolumne

Mit erstaunlicher Verspätung produziert der international rasante Zinsanstieg die befürchtete Bankenkrise. Es tritt das ein, was die jahrelange Nullzinspolitik verhindern sollte. Am vergangenen Sonntag übernahm die größte Schweizer Bank UBS die zweitgrößte Credit Suisse zu einem Spottpreis von 3 Milliarden Schweizer Franken. Es handelt sich um einen Notverkauf, abzulesen daran, dass der der Deal am heiligen Sonntag über die Bühne ging und nur dank einer Garantie von 9 Milliarden Franken vom Staat und einer Liquiditätshilfe von 100 Milliarden Franken seitens der Schweizer Notenbank über die Bühne ging. Die Schweizer Großbanken sind nicht so solide, wie sie tun. Vor 15 Jahren, während der großen Finanzkrise, musste die UBS, damals der größte Vermögensverwalter der Welt (= Kapitalismus), von der Notenbank vor dem Untergang gerettet werden.

Sie sind aber nicht weniger solide als anderswo, beispielsweise in den USA. Dort wurden in der vergangenen Woche zwei kleine Banken, die Silicon Valley Bank (SVB) und die Signature Bank, zahlungsunfähig und liquidiert. Eine weitere, die First Republic Bank, verzeichnete einen massive Geldabfluss der Kundschaft. Zum Zeitpunkt, da dieser Text geschrieben wird, überlebt sie noch – dank einer Geldsammelaktion der US-Großbanken unter Führung von J. P. Morgan, New York, die 30 Milliarden Dollar auf die Konten der First Republic gutschrieben. Schon daran kann man sehen, dass das Bankenbeben (bisher) nicht alle Institute erfasst hat. Vielmehr wechselt die betuchte Kundschaft, also vor allem allerlei Unternehmen groß und klein, nur ihre Hausbank. Wer der SVB und First Republic nicht traut, zieht das Geld dort ab und deponiert es bei J. P. Morgan, Citibank und anderen großen Geldhäusern.

Auch der US-amerikanische Staat kennt eine Einlagensicherung, die FDIC (Federal Deposit Insurance Corp.). Sie garantiert die Einlagen der Kundschaft bei den etwa 4.000 Kreditinstituten in den USA. Allerdings nur bis zur bescheidenen Höhe von 250.000 Dollar. Wer also eine oder fünf Millionen Dollar bei seiner Bank auf dem Konto hat, muss im Fall der Pleite dieses Instituts damit rechnen, dass er nur 0,25 Millionen zurückerhält. Das war für die junge, dynamische Kundschaft im Silicon Valley nach hartnäckigen Gerüchten, dass es der Hausbank SVB nicht so gut geht, Grund, zur traditionellen und größten des Landes, J. P. Morgan, zu wechseln. Großbanken werden von neuen Geldeinlagen überschwemmt, melden die US-Medien.

Finanzministerin Janet Yellen und ihr Chef Joe Biden handelten zügig. Sie wiesen die FDIC an, den Kunden von SVB und Signature Bank auch alle Einlagen jenseits der Armutsgrenze von 250.000 Dollar wieder zu erstatten. Die Regierung des Landes hat es mit einer bankenfeindlichen Öffentlichkeit zu tun und betont immer wieder, dass sie keinen Penny zur Stützung der Banken ausgeben will. Andererseits fordern Politiker beider Parteien, die Obergrenze für die Einlagensicherung abzuschaffen, was letztlich den Banken zugute käme.

Die Notenbank der USA, Fed, legte nach diesen ersten Anzeichen einer Bankenkrise ein Kreditprogramm zur Stützung der Banken auf. Sie können sich gegen Sicherheiten bis zu einem Jahr Geld in unbegrenzter Höhe leihen. Entscheidend dabei: Die Sicherheiten werden zu ihrem Buchwert hinterlegt. Die Banken hatten Geld in Staatsanleihen und staatlich garantierte Hypothekenanleihen gesteckt. Der Marktwert dieser Papiere aber ist mit dem steigenden Zinsniveau kräftig gesunken. Das heißt, die Banken würden Verluste erleiden, wenn sie die Papiere verkaufen, um sich Liquidität zu beschaffen. Nach Angaben der FDIC haben sich diese Verluste in den Büchern auf 620 Milliarden Dollar aufgestaut. Indem die Fed ihnen für diese Papiere, bewertet zu alten Preisen, jetzt Kredit gewährt, schirmt sie die Banken von den unangenehmen Folgen des gestiegenen Zinsniveaus vorerst ab.

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Über den Autor

Lucas Zeise (Jahrgang 1944) ist Finanzjournalist und ehemaliger Chefredakteur der UZ. Er arbeitete unter anderem für das japanische Wirtschaftsministerium, die Frankfurter „Börsen-Zeitung“ und die „Financial Times Deutschland“. Da er nicht offen als Kommunist auftreten konnte, schrieb er für die UZ und die Marxistischen Blättern lange unter den Pseudonymen Margit Antesberger und Manfred Szameitat.

2008 veröffentlichte er mit „Ende der Party“ eine kompakte Beschreibung der fortwährenden Krise. Sein aktuelles Buch „Finanzkapital“ ist in der Reihe Basiswissen 2019 bei PapyRossa erschienen.

Zeise veröffentlicht in der UZ monatlich eine Kolumne mit dem Schwerpunkt Wirtschaftspolitik.

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"Arme Banken", UZ vom 24. März 2023



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