Asozialpartnerschaft

Gerd Ziegler zu einem Streit unter Freunden

Wütende Kollegen protestieren gegen die Entlassungspläne des Siemens-Managements. Da ist es der Beruf eines Obersozialdemokraten, auf Kundgebungen markige Sprüche zu klopfen: „Asozial“ hat Martin Schulz den Stellenabbau genannt. Thomas de Maizière kann die Siemens-Pläne, Werke im Osten plattzumachen, „nicht nachvollziehen“ – als Konservativer formuliert man gesetzter. Eigentlich.

Thomas‘ Cousin Lothar, als letzter Ministerpräsident der DDR an deren Zerstörung beteiligt, beklagt, dass das Siemens-Management das Vertrauen in die so genannte soziale Marktwirtschaft untergrabe. Und: „Heute benehmen sich Unternehmer zunehmend so, wie man es früher im Marxismus-Leninismus-Unterricht gelernt hat.“

Der Siemens-Vorstandsvorsitzende Joe Kaeser kontert: Die Regierung sei für den Stellenabbau verantwortlich. Durch die Energiewende seien seinem Konzern die Käufer für Turbinen in Kohle- und Atomkraftwerken abhanden gekommen, nun müssten eben Werke geschlossen werden, schreibt er in einem Brief an Martin Schulz. Kaeser hat Grund sich aufzuregen: Die chinesischen Konkurrenten von Siemens werden von ihrer Regierung ganz ordentlich unterstützt, um neue Märkte zu erobern.

Da könnte man den Eindruck kriegen, dass sich Konzerne und Regierungen wirklich so verhalten, wie es in verstaubten ML-Büchern steht. Dort nennt man das Staatsmonopolistischen Kapitalismus: Die großen Konzerne und der Staat wachsen zusammen, weil die Profitjäger sich nur mit Hilfe der politischen Macht gegen ihre Konkurrenz auf der ganzen Welt durchsetzen können. Joe Kaeser kann deshalb den Vorwurf der „Verantwortungslosigkeit“ an Martin Schulz zurückgeben: Er entziehe sich schließlich selbst der Verantwortung, weil sich die SPD noch etwas feiern lässt, bis sie Merkel wieder zur Kanzlerin wählt. In seinem Brief warnt Kaeser davor, dass „China und Indien“ „zuletzt lachen“ könnten, wenn die Regierung die deutschen Konzerne nicht ausreichend zu Diensten ist.

Auch das wissen wir aus dem ML-Unterricht: Er muss sich keine Sorgen machen. Wenn es darauf ankam, haben die SPD-Chefs den kämpfenden Kollegen noch immer erklärt, warum sie für ein Bündnis mit dem deutschen Kapital die Füße stillhalten sollen.

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"Asozialpartnerschaft", UZ vom 1. Dezember 2017



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