„Besorgte Bürger“ werden von allen Seiten abgelehnt

Auch die Kultur kesselte die Rechten ein

Von Uwe Koopmann

„Düsseldorfer Bürger gehen auf die Straße gegen Flüchtlingsirrsinn.“ So lautete das Motto der Kundgebung, die der Rechtsanwalt Alexander Haumann inszeniert hat. Gekommen waren aber nur etwa 60 „besorgte Bürger“, vermeintlich aus dem bürgerlichen Lager. Dagegen standen nicht nur etwa 300 Nazi-Gegner, sondern auch eine geballte Ladung Kultur.

Versammelt hatte sich der kleine rechte Haufen am Eingang der Kunstsammlung NWR am Grabbeplatz. In dem Museum über ihnen ist der Antifaschist Pablo Picasso mit mehr als zehn Werken vertreten. Er musste vor den spanischen Falangisten nach Frankreich fliehen. Seine Werke wurden von den Nazis verfemt, gleichzeitig als Raubkunst gestohlen und wieder zu Geld gemacht. Unter dem „Anstreicher“ wurden seine Bilder als „entartete Kunst“ aussortiert, als „krankhafte Ausgeburt des Wahnsinns oder als Schwindel eines jüdisch unterwanderten Kulturbolschewismus vorgeführt“. Picasso, nicht erst seit „Guernica“ im Widerstand, trat im Oktober 1944 in die Kommunistische Partei ein.

Auf der Ostseite des Grabbeplatzes – an der Heinrich-Heine-Allee – steht ein Denkmal, das Felix Mendelssohn Bartholdy gewidmet ist, einem Komponisten der Romantik mit jüdischer Herkunft. In der NS-Zeit wurde der Komponist kaum noch aufgeführt. Die ursprüngliche Arbeit des Bildhauers Clemens Buscher von 1901 wurde 1936 von den Nazis entfernt und 1940 eingeschmolzen. Eine Rekonstruktion des Denkmals wurde 2012 eingeweiht.

An der Südseite des Grabbeplatzes steht das Museum „K20“. Es solidarisierte sich mit dem Protest gegen die Neonazis in Nadelstreifen. In fünf Sprachen wurde am Eingang darauf hingewiesen: „Flüchtlinge sind willkommen“. Die Direktoren Marion Ackermann und Hagen Lippe-Weißenfeld erklärten gegenüber der Presse: „Wir wollen dem Aufmarsch rechter Gruppen, die sich ausgerechnet vor unserer Haustür gegen die Aufnahme von Flüchtlingen in unserem Land stark machen, keine Kulisse bieten. Fremdenhass und Kunst, das lässt sich nicht vereinbaren, das schließt sich sogar aus.“

Von der Westseite des Grabbeplatzes sind es nur wenige Meter bis zur Mahn- und Gedenkstätte der Stadt Düsseldorf, wo die NS-Geschichte und Verfolgung durch die Nazis dokumentiert wird.

Wie praktische Solidarität mit den Flüchtlingen aus den angeblich „sicheren Herkunftsländern“ aussieht, berichtete Oliver Ongaro. Er verwies auf einen Hilfskonvoi aus Düsseldorf, getragen von Medinetz, STAY!, Fifty-Fifty und vision.teilen. Die Hilfsgüter gehen an die slowenische und kroatische Grenze. Nach Angabe von report-D gehen Kleidung, Schuhe, Decken, Zelte, Medikamente und Geldspenden direkt an die Flüchtlinge.

Ein Eigentor leisteten sich die Organisatoren der „besorgten Bürger“. Als das kleine Häuflein zu einer Kurzdemo aufgebrochen war, wurde der weitgehend leere Grabbe-Platz ausgerechnet mit dem Song „Brothers in Arms“ von Mark Knopfler (Dire Straits) beschallt, in dem die von Menschen gezogenen Grenzen kritisiert werden, weil sie eine universale Brüderschaft verhindern. Die Kritik gilt dabei der Kriegstreiberei, die dazu führt, dass Menschen ihre Heimat verlassen müssen. Geschrieben wurde der Song zur Zeit des Falklandkrieges. Das Album hat eine Auflage von 30 Millionen. Knopflers Vater war Sympathisant der Kommunisten und musste deshalb 1939 aus dem faschistischen Ungarn fliehen. – Aber das wussten die „besorgten Bürger“ wohl nicht.

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"Auch die Kultur kesselte die Rechten ein", UZ vom 13. November 2015



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