CSU und CDU einigen sich im Asylstreit auf Transitzentren

Auf dem Rücken der Geflüchteten

Von Nina Hager

Seehofer bleibt Bundesinnenminister. Noch. CDU und CSU bleiben zusammen. Vorerst. Die CSU-Oberen feiern jetzt, wie CSU-Generalsekretär Markus Blume am späten Montagabend in Berlin verkündete, die von ihnen angeblich erreichte „Asylwende“. Dabei ist das Jahr 2015 lange vorbei. Und Merkels „Willkommenskultur“ – wie auch der EU-Gipfel in der vorigen Woche wieder einmal zeigte – ist schon lange Geschichte. Immer wieder wurde in den letzten Jahren auch hierzulande und mit  ihrer Zustimmung die Asylgesetzgebung weiter verschärft.

Am Montag einigten sich die Führungsgremien der Unionsparteien nach heftigen medialen Auseinandersetzungen doch noch auf einen „Kompromiss“: Verstärkte Grenzkontrollen und direkte Zurückweisungen von bereits in anderen EU-Staaten registrierten Flüchtlingen, wie die CSU-Führung es wollte, soll es nicht geben. Künftig sollen in “Transitzentren“, also in geschlossenen Lagern, bislang aber nur an der deutsch-österreichischen Grenze, alle ankommenden Asylbewerber aufgenommen und in Schnellverfahren überprüft werden. Scheitert ihr Asylantrag, dann werden sie abgeschoben. Flüchtlinge, die bereits in einem anderen EU-Land registriert worden sind, sollen dann in diese Länder „rücküberführt“ werden – wenn sie denn zurückgenommen werden. Der „Geist der europäischen Partnerschaft“ sei mit dieser Einigung gewahrt, verkündete die Kanzlerin am späten Montagabend. Gleichzeitig sei „ein entscheidender Schritt getan, um Sekundärmigration zu ordnen und zu steuern. Das ist genau das, was mir wichtig war und ist“.Im Klartext: Man hat sich – nach den Entscheidungen des EU-Gipfels in der vorigen Woche – geeinigt, das Grundrecht auf Asyl auch hierzulande noch weiter zu beschränken. Darin sind sich CSU und CDU ja völlig einig. Die CSU feiert sich jetzt für die repressiven Beschlüsse des EU-Gipfels: den Ausbau der Festung Europa, die Errichtung von „kontrollierten Zentren“ (möglichst in Nordafrika), viel mehr Geld für Frontex in der vorigen Woche. Die CDU feiert sich dafür, auf EU-Ebene eine Einigung erreicht und Absprachen mit anderen Ländern getroffen bzw. vorbereitet zu haben. Beide vertreten und unterstützen nicht nur da eine restriktive, reaktionäre Politik, die auch hierzulande entsprechende politische, rechtliche usw. Auswirkungen in diese Richtung hat. Nicht einig war und ist man sich im Vorgehen. FDP-Parteichef Christian Lindner nannte die Einigung zwischen CDU und CSU einen „Burgfrieden“. Der betroffene Personenkreis sei „eher gering“. Dabei müsse sich die Politik „mit hunderttausenden Menschen beschäftigen, die schon in Deutschland sind“. Der Grünen-Chef Robert Habeck kritisierte den „Kompromiss“ als einen Aufguss alter Ideen.

Die Vorsitzenden der Partei „Die Linke“, Katja Kipping und Bernd Riexinger, nennen es eine Einigung auf dem Rücken Geflüchteter. „‚Kontrollierte Zentren‘, ‚Transitzentren‘, ‚Ankerzentren‘ – wie viele Euphemismen die PR-Leute der Union auch erfinden mögen, nichts kann darüber hinwegtäuschen, dass Menschen massenhaft in Lagern interniert werden sollen und an der bayrischen Grenze zu Österreich das europäische Asylrecht und die Charta der Europäischen Grundrechte außer Kraft gesetzt werde.“ Und sie betonen: „Die CSU hat gezeigt, dass sie fest entschlossen ist, den Konservativismus rechts zu überholen und den Weg des Neo-Autoritarismus zu gehen.“ Riexinger stellte in einem Tweet klar: „Transitzonen sind Masseninternierungslager. Die Menschlichkeit bleibt auf der Strecke.“

Andrea Nahles und Olaf Scholz, die als Koalitionspartner in dieser Auseinandersetzung zwischen den CSU-Oberen und der CDU nie gefragt waren, zeigten sich am Montagabend zunächst erleichtert: Man könne nun endlich zur Behandlung der „Sachfragen“ zurückkehren. Im Jahr 2015 hatte sich die Partei noch gegen damals vorgesehene „Transitzentren“ für alle ankommende Flüchtlinge ausgesprochen. Auch in ihrem aktuellen Fünf-Punkte-Plan stellt sich die SPD gegen geschlossene Lager. Dort heißt es zwar, die Einigungen beim EU-Gipfel seien ein „Auftrag, das gemeinsame europäische Asylregime neu zu ordnen, um eine humane Praxis zu etablieren“. Und später: „Die SPD unterstützt im Großen und Ganzen die Entscheidungen des EU-Gipfels.“ Dann wird aber weiter ausgeführt: „Geschlossene Lager in den nordafrikanischen Transitländern lehnen die Sozialdemokraten allerdings ab.“ Auch in Europa gebe es Aufnahmeeinrichtungen, die „den humanitären Standards unseres Kontinents nicht entsprechen“. Das müsse sich ändern. Auch die in Europa geplanten Aufnahmeeinrichtungen (Controlled Areas) dürften keine geschlossenen Lager werden.

Juso-Chef Kevin Kühnert erinnerte noch einmal an die Beschlusslage: „Die SPD hat geschlossenen Lagern eine deutliche Absage erteilt. Egal ob in Nordafrika, an der europäischen Außengrenze oder in Passau.“ Der Vorsitzende der AG Migration in der SPD, Aziz Bozkurt, erklärte gegenüber der „Welt“: „Die Transitzentren sind null vom Koalitionsvertrag gedeckt.“ Die SPD müsste, wenn es nach dem Willen und Wunsch der Union geht, am Dienstag (nach Redaktionsschluss der UZ) dem „Kompromiss“ noch zustimmen. CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer glaubte fest an eine Übereinkunft mit den Sozialdemokraten. Der Co-Vorsitzende der Bundestagsfraktion der Linkspartei im Bundestag, Dietmar Bartsch, hatte dagegen noch Hoffnung. Er warnte die SPD vor einem Einknicken in der Asylpolitik.

Über die Autorin

Nina Hager (Jahrgang 1950), Prof. Dr., ist Wissenschaftsphilosophin und Journalistin

Hager studierte von 1969 bis 1973 Physik an der Humboldt-Universität in Berlin. Nach dem Abschluss als Diplom-Physikerin wechselte sie in das Zentralinstitut für Philosophie der Akademie der Wissenschaften der DDR und arbeite bis zur Schließung des Institutes Ende 1991 im Bereich philosophische Fragen der Wissenschaftsentwicklung. Sie promovierte 1976 und verteidigte ihre Habilitationsschrift im Jahr 1987. 1989 wurde sie zur Professorin ernannt. Von 1996 bis 2006 arbeitete sie in der Erwachsenenbildung, von 2006 bis 2016 im Parteivorstand der DKP sowie für die UZ, deren Chefredakteurin Hager von 2012 bis 2016 war.

Nina Hager trat 1968 in die SED, 1992 in die DKP ein, war seit 1996 Mitglied des Parteivorstandes und von 2000 bis 2015 stellvertretende Vorsitzende der DKP.

Hager ist Mitherausgeberin, Redaktionsmitglied und Autorin der Marxistischen Blätter, Mitglied der Marx-Engels-Stiftung und Mitglied der Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin.

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"Auf dem Rücken der Geflüchteten", UZ vom 6. Juli 2018



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