Aufstehen – Kämpfen – Siegen

Von Thomas Brenner

Seit 1992 gibt es am 1. Mai in Siegen eine kuriose Situation. Zwei Demonstrationen, zwei Veranstaltungen. Morgens die des DGB und mittags die des Linksbündnisses „Roter 1. Mai“. Zwei Veranstaltungen mit Reden und Kultur. Ursprünglich konkurrierend, weil Linke und Autonome bei der DGB-Demo unerwünscht waren, sind beide Veranstaltungen längst eine Ergänzung. 

Morgens sieht man natürlich die roten Fahnen der Kommunisten und seit vielen Jahren auch wieder die der ursprünglich Unerwünschten und mittags nach den DGB-Aktivitäten kommen viele Gewerkschafter zum Roten 1. Mai. Gewerkschaftlich orientierte Linke sind am internationalen Tag der Arbeiterklasse also voll beschäftigt.

Seit langem ist der „Rote 1. Mai“ die größere Veranstaltung. In diesem Jahr nahmen rund 800 Menschen an der Demonstration teil und mehr als 2000 kamen zur Kundgebung und anschließendem Kultur- und Musikprogramm. Motto: „1. Mai – tausend Gründe für Widerstand. Aufstehen – Kämpfen – Siegen“. Aufstehen gegen Kriegspolitik, neuen Faschismus und Sozialraub – Kämpfen für Frieden, internationale Solidarität und soziale Gerechtigkeit. Als Hauptredner sprachen Sevim Dagdelen von der Linkspartei und Olaf Harms als Vertreter des DKP-Parteivorstandes und als ver.di-Landesbezirksvorsitzender in Hamburg. Reden, Grußworte, Kultur- und Musikprogramm dauern traditionell bis in den Abend.

Leider kommen zur DGB-Demo und anschließender Veranstaltung weniger Menschen. Gabriele Schmidt, Leiterin des ver.di-Landesbezirkes NRW, der neue Siegener DGB-Vorsitzende Ingo Degenhardt und nach ihm der Landrat des Kreises Siegen Wittgenstein sprachen vor rund 300 Menschen. Die örtliche Presse barmt, schließlich sei der 1. Mai für die Gewerkschaften das wichtigste Datum im Jahr und kein anderer Tag eigne sich mehr, tatsächliche politische (sic!) Botschaften unters Volk zu bringen. Nur: Es solle doch auch jemand zuhören. Es genüge nicht, Lieder der Arbeiterbewegung zu singen und dazu rote Fahnen zu schwenken. Das könnten andere offenbar viel besser.

Was sich wie Empathie für gewerkschaftliche Forderungen anhört, ist in Wirklichkeit üble Häme: Die konservative Siegener Zeitung hat mit den Forderungen der Gewerkschaften ebenso wenig am Hut wie mit dem „Roten 1. Mai“, der am liebsten totgeschwiegen würde. Da man beides nicht ignorieren kann, versucht man stattdessen Gewerkschaften und Linksbündnis gegeneinander auszuspielen.

Konsequenterweise sollten nun Gewerkschaften und Linksbündnis auch offiziell aufeinander zugehen und gemeinsam erklären: „Wir lassen uns nicht spalten. Der 1. Mai ist unser gemeinsamer Tag.“

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"Aufstehen – Kämpfen – Siegen", UZ vom 13. Mai 2016



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