Rigaer 94 ist vor Gericht erfolgreich – Investoren planen weitere Luxusprojekte im Kiez

„Aufwertung“ aufgeschoben

Von nh

„Wenn Räumung, dann Beule“, steht auf dem Transparent rechts oben im Innenhof des Hauses Rigaer Straße 94 in Berlin-Friedrichshain. Die Kiezbewohner setzen auf verschiedene Formen des Widerstandes.

„Wenn Räumung, dann Beule“, steht auf dem Transparent rechts oben im Innenhof des Hauses Rigaer Straße 94 in Berlin-Friedrichshain. Die Kiezbewohner setzen auf verschiedene Formen des Widerstandes.

( rigaer94.squat.net)

Die Nutzer der Räumlichkeiten der Szenekneipe „Kadterschmiede“, der Verein „Freunde der Kad­terschmiede“, in der Rigaer Straße 94 in Berlin-Friedrichshain sowie die einer Werkstatt im Seitenflügel können aufatmen. Vorerst.

Am 2. Februar scheiterte der Eigentümer des Hauses mit einer Räumungsklage vor dem Berliner Landgericht. Das Gericht hatte an der Zuständigkeit des Anwalts gezweifelt. Der habe keine Prozessvollmacht vorlegen können. Die, so Anwalt Bernau, habe man ihm bei einem Einbruch in der Silvesternacht gestohlen. Doch „Lafone Investment Limited“ (Sitz: London) hat nach Rücktritt des Direktors im Juli des vergangenen Jahres keine Führung mehr, ohne die aber kann es keine Prozessvollmacht geben – und Bernau war im Juli 2016 noch gar nicht anwaltlicher Vertreter der Firma. Bernau kündigte trotzdem an, gegen das Urteil Einspruch einzulegen.

Auch ein Verfahren zur Räumung einer Wohnung, das am gleichen Tag stattfand, endete für die Beklagten zunächst erfolgreich. In diesem Fall ging es gleichfalls um die fehlende Prozessvollmacht. Die Vorsitzende Richterin machte zudem deutlich, dass die Klage der Eigentümer wenig Aussichten auf Erfolg habe, denn diese müssten nachweisen, wer denn nun in der betreffenden Wohnung tatsächlich wohne.

In einem separaten Verfahren klagen die Bewohner der Rigaer 94 zudem gegen die Teilräumung am 22. Juni 2016. Mit einer „Fortsetzungsfeststellungsklage“ soll auch der Polizeieinsatz, der die Räumung der Vereinsräume ermöglichte, für rechtswidrig erklärt werden. Die gerichtliche Auseinandersetzung wird sich mindestens bis in die zweite Hälfte des Jahres hinziehen.

Die „Rigaer 94“ ist ein aus einer Hausbesetzung 1990 im Ostteil der Stadt entstandenes Wohnprojekt. Als eines der letzten Häuser in Berlin ist es auch heute noch teilweise besetzt. Die Bewohner der besetzten Häuser (die in der Mainzer Straße waren im November 1990 gewaltsam geräumt worden, damals kam es zu Straßenschlachten) arrangierten sich in den 90ern mit den Eigentümern: Sie wurden „normale“ Mieter oder gründeten Genossenschaften und kauften die Häuser. 1992 erhielten auch die Bewohner der Rigaer 94 Mietverträge, die aber – nach Auseinandersetzungen mit dem neuen Eigentümer, der einen „Wohnblock für ökologisches Wohnen“ errichten wollte – nach einigen Jahren wieder gekündigt wurden. Das Haus wurde teilgeräumt und wieder besetzt. Immer wieder protestierten die Bewohner und ihre Unterstützer, immer wieder kam es zu Polizeieinsätzen. 2014 wurde das Haus erneut verkauft. Der Eigentümer wollte anonym bleiben, er lässt sich durch die „Lafone Investment Limited“ vertreten.

Auch hier sollte im vergangenen Jahr mit Polizeigewalt die Räumung durchgesetzt werden. Der damalige Innensenator Henkel (CDU) versuchte sich mit einem harten Vorgehen im Wahlkampf zum Abgeordnetenhaus zu profilieren. Zunächst führten im Januar 500 Polizisten mit Unterstützung des SEK und eines Hubschraubers eine „Hausbegehung“ durch – ohne Durchsuchungsbefehl. Angeblich hatten Bewohner einen Kontaktbeamten angegriffen, der am Mittag des Tages Parkverstöße geahndet hatte. Zeugen erklärten, der Beamte wäre lediglich geschubst worden. Beim Einsatz wurden Treppen und Türen zerstört, unter anderem auch Briketts beschlagnahmt. Dies ging in den Folgetagen weiter: Belagerung, „Hausbegehungen“, Hausdurchsuchungen. Widerstand vor Ort und Gegendemonstrationen diffamierte Henkel damals pauschal als „linksextreme Gewalt“, die nicht hinzunehmen sei und die eine neue Qualität erreicht habe (siehe auch UZ vom 12. und 19.8.2016).

Im Juni ließ die Hausverwaltung Teile der Rigaer Straße 94, darunter die Szenekneipe „Kadterschmiede“, von Bauarbeitern räumen. Ein Großaufgebot der Polizei sicherte die Räumung. Am 13. Juli 2016 wertete das Landgericht die Räumung der „Kadterschmiede“ als rechtswidrig.

Seit Jahren gibt es Streit um die Rigaer Straße 94. Nun haben die Nutzer einen Teilerfolg erreicht. Doch um dieses Haus allein geht es hier schon lange nicht mehr. Investoren wollen im Kiez Luxusprojekte bauen, die „Aufwertung“ droht nicht nur die Bewohner der linken Hausprojekte zu verdrängen. Im neuen „Carré Sama-Riga“ will der Investor CG unweit der Rigaer Straße 94 für 37 Mio. Euro 133 Wohnungen und ein Hotel bauen lassen. Nach Angaben auf der Internetseite von CG sind bereits – obgleich die Bauphase noch gar nicht begonnen hat, die Baugenehmigung Ende Januar noch gar nicht vorlag – alle Wohnungen bereits an eine Kapitalverwaltungsgesellschaft (Versorgungskasse) verkauft. Noch aber ist nichts beschlossen, hat der Baustadtrat kein „grünes Licht“ für den Bau gegeben. In den kommenden Wochen soll eine Infoveranstaltung stattfinden.

Seit dem 19. Januar gibt es trotzdem täglich gegen 19 Uhr ein „Kiezscheppern gegen die CG-Gruppe und andere Luxusinvestoren“. Damit wollen Mieterinnnnen und Mieter deutlich machen, dass sie sich gegen steigende Mieten und damit ihre drohende Verdrängung wehren. Doch im Kiez scheint man sich derzeit über die Formen des Protestes nicht einig zu sein.

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"„Aufwertung“ aufgeschoben", UZ vom 17. Februar 2017



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