Mehr Geld für die „Hau-ab-Prämie“ und das Programm „Perspektive Heimat“

Ausbau der Abschottungspolitik

Von Nina Hager

Seit einigen Jahren bietet Deutschland – wie auch einige andere EU-Staaten – abgelehnten Asylsuchenden, die freiwillig in ihre Heimat zurückkehren eine „Rückkehrprämie“. Allerdings galt und gilt das nicht für alle, sondern nur für jene, die glaubhaft machen können, dass die Ausreise auf Dauer geplant ist und sie selbst nicht über ausreichend Geld verfügen. Abhängig ist die Höhe der finanziellen Unterstützung u. a. zudem vom Herkunftsland.

Also erhalten viele der abgelehnten Asylbewerber gar nichts und einen Rechtsanspruch gibt es auch nicht. Die Bundesregierung und die Länder arbeiten in diesem Fall mit der weltweit agierenden Internationalen Organisation für Migration (IOM) zusammen, die entsprechende Programme (REAG/GARP) aufgelegt hat. Seit 2000 trägt aber das Bundesinnenministerium die Gesamtverantwortung für diese Programme – und bestimmt damit auch deren „Rahmenbedingungen“. Die Beihilfe durch die REAG/GARP-Programme kann seit Februar 2017 durch das „StarthilfePlus“-Programm der Bundesregierung „ergänzt“ werden. Neben bundesweiten Förderprogrammen gibt es auch Prämien auf Landes- und kommunaler Ebene. Für Pro Asyl stellt das Ganze eine verwerfliche Strategie dar. Man verführe Menschen auf miese Weise, ihre Rechte nicht wahrzunehmen. Auch die Partei „Die Linke“ lehnt diese Verfahrensweise ab. „Besondere Prämien dafür zu erteilen, dass Schutzsuchende ihren Asylantrag zurückziehen oder den Rechtsweg aufgeben, ist nichts weiter als eine Verramschung des Rechtsstaats und ein Ausverkauf des Rechtes auf Asyl“, erklärte die innenpolitische Sprecherin der Fraktion der Linkspartei im Bundestag, Ulla Jelpke, der „Frankfurter Rundschau“ (27. März). Anstatt einer „Hau-ab-Prämie“ bräuchte die Bundesrepublik eine echte Integrationspolitik und eine seriöse Bekämpfung von Fluchtursachen.

Doch erfolgreich war die Bundesregierung mit ihrer Strategie offensichtlich bislang nicht. Obgleich sie Ende 2017 ihre „Rückkehrprämie“ aufstockte, einen Extrabonus bot, der damalige geschäftsführende Bundesinnenminister de Maizière damit das Angebot für abgelehnte Asylbewerber, die freiwillig in ihre Heimatländer zurückkehren, „verbesserte“. Geboten wurden bis zu 3 000 Euro für Familien, 1 000 Euro für Einzelpersonen – meist in Sachleistungen.

Ende März berichtete die „Osnabrücker Zeitung“, dass die Zahl der freiwilligen Ausreisen von abgelehnten Asylbewerbern von Dezember bis Februar 2018 im Vergleich zum Vorjahr trotz der Erhöhung der „Rückkehrprämie“ stark gesunken sei. Nur 4 552 Menschen hätten sich für eine Rückkehr entschieden. Im Jahr zuvor waren es im gleichen Zeitraum 8 185. Und dafür gibt es gute Gründe. Ein Ende des Krieges in Syrien und der Not ist nicht in Sicht, die Lage in Afghanistan bleibt instabil und unsicher, in Teilen des Irak und anderer Länder nicht minder.

Für den Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Gerd Müller (CSU), ist das aber kein Problem. Auch er fühlt sich wohl mit der Forderung aus seiner Partei nach mehr Abschottung. Müller will jetzt den Etat seines Ministeriums für das neue Rückkehrerprogramm „Per­spektive Heimat“ verdreifachen und fordert, künftig 500 Millionen Euro jährlich für dieses Programm aufzuwenden. Das sei viel „preiswerter, als die Menschen hier in Deutschland zu versorgen“. Als Erfolg wertet er zudem das Programm seines Ministeriums, das Perspektiven für syrische Flüchtlinge in ihrer Heimatregion schaffen soll. „In den letzten beiden Jahren konnten wir über 140 000 Menschen in Beschäftigung bringen“, so der Minister. „Das sind zum Beispiel syrische Lehrkräfte, die Flüchtlingskinder unterrichten. Oder den Menschen helfen, Häuser, Schulen und Krankenstationen wieder aufzubauen.“ Die entwicklungspolitische Sprecherin der Fraktion der Partei „Die Linke“ im Bundestag, Evrim Sommer, sieht dagegen hinter der „Perspektive Heimat“ kein entwicklungspolitisches Konzept. Ziel sollte es sein, den Menschen in Not zu helfen und nicht die Abschottungspolitik weiter auszubauen.

Und auch die Grünen sind in diesem Fall kritisch: Uwe Kekeritz, Sprecher für Entwicklungspolitik der Bundestagsfraktion der Grünen, erklärte. „Schon in den vergangenen Jahren hat Müller daran mitgewirkt, dass immer mehr Entwicklungsgelder zum Grenzmanagement und anderen Fluchtabwehrmaßnahmen zweckentfremdet wurden.“

Über die Autorin

Nina Hager (Jahrgang 1950), Prof. Dr., ist Wissenschaftsphilosophin und Journalistin

Hager studierte von 1969 bis 1973 Physik an der Humboldt-Universität in Berlin. Nach dem Abschluss als Diplom-Physikerin wechselte sie in das Zentralinstitut für Philosophie der Akademie der Wissenschaften der DDR und arbeite bis zur Schließung des Institutes Ende 1991 im Bereich philosophische Fragen der Wissenschaftsentwicklung. Sie promovierte 1976 und verteidigte ihre Habilitationsschrift im Jahr 1987. 1989 wurde sie zur Professorin ernannt. Von 1996 bis 2006 arbeitete sie in der Erwachsenenbildung, von 2006 bis 2016 im Parteivorstand der DKP sowie für die UZ, deren Chefredakteurin Hager von 2012 bis 2016 war.

Nina Hager trat 1968 in die SED, 1992 in die DKP ein, war seit 1996 Mitglied des Parteivorstandes und von 2000 bis 2015 stellvertretende Vorsitzende der DKP.

Hager ist Mitherausgeberin, Redaktionsmitglied und Autorin der Marxistischen Blätter, Mitglied der Marx-Engels-Stiftung und Mitglied der Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin.

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"Ausbau der Abschottungspolitik", UZ vom 13. April 2018



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