Ausbildung ohne Vergütung

Das Gespräch führte Hannes Schinder

UZ: Wie finanziert ihr während der Ausbildung euren Lebensunterhalt, wenn ihr keine Vergütung bekommt?

Caro: Weil man hier in Essen kein Schulgeld bezahlen muss, sind viele von uns aus ganz Deutschland für die Ausbildung hierhin gezogen. Dadurch sind die meisten von uns auf ihre Eltern angewiesen, damit sie uns die Miete und andere Lebenshaltungskosten bezahlen. Das würden wir aber gerne selbst abdecken und gehen deshalb nebenbei noch arbeiten. Ich habe zum Beispiel noch zwei Nebenjobs.

UZ: Wie belastend ist deine Ausbildung, wenn du noch zwei Nebenjobs hast?

Caro: Die Ausbildung ist relativ anstrengend und erfordert viel Zeit zum Lernen. Wir haben zwei Zwischenprüfungen und das Examen, wofür die meisten ein Jahr vorher mit der Vorbereitung beginnen müssen. Und gerade in den kurzen Phasen vor den Prüfungen ist es schwer, überhaupt etwas anderes zu machen. Wir müssen aber noch Zeit finden, um nebenbei arbeiten zu gehen.

UZ: Wie häufig ist das?

Caro: Mindestens zweimal in der Woche gehe ich schon arbeiten. Entweder nach Feierabend oder am Wochenende. Das sind die einzigen Möglichkeiten und da muss jeder für sich selbst entscheiden, wann er seine Freizeit haben möchte.

UZ: Wie lassen sich denn deine Nebenjobs in den Wochenalltag integrieren?

Caro: Wir arbeiten in der Klinik wie ein ganz normaler Festangestellter auch acht Stunden am Tag. Wir versorgen genauso viele Patienten wie die Festangestellten auch. Nur bekommen wir keine Vergütung dafür, obwohl wir genau die gleiche Arbeit leisten und vielleicht zwei Monate mehr Schule haben als andere Auszubildende. Meistens bis 16.00 Uhr. Im Moment bin ich im Schulblock und da habe ich bis 16.15 Uhr Schule. Außer Mittwochs, da haben wir von 8.00 bis 18.00 Uhr Unterricht. Das ist schon relativ lang. Und dann bin ich um halb fünf zu Hause und gehe um 17.00 Uhr bis 22.00 oder 23.00 Uhr arbeiten. Da hat man gar nichts vom Tag.

UZ: Das heißt, dein Leben dreht sich hauptsächlich um deine Arbeit?

Caro: Es gibt kaum Freizeit, und Vieles ist von den Nebenjobs abhängig. Es würde alles erleichtern, wenn man etwas Geld mit der Ausbildung verdienen würde.

UZ: Die Arbeit in einem Krankenhaus bringt ja auch eine große psychische Belastung mit sich. Wie ist das denn zu verarbeiten, wenn du so wenig Zeit für dich hast?

Caro: Ich glaube, ein gewisses Talent gehört dazu, wenn man sich für eine medizinische Ausbildung entscheidet. Nicht nur Physiotherapie, sondern alle anderen Bereiche auch. Man muss lernen, damit umzugehen und sobald man die Klinik verlässt, auch abschalten kann, damit man nichts mit nach Hause nimmt. Das haben auch Ärzte und Pfleger, oder MTAs. Und eben den Nebenjob Nebenjob sein lassen. Wenn man irgendwo Animateur ist, dann sollte man das auch hinbekommen, obwohl man vorher im Tumorzentrum gearbeitet hat. Das ist schwierig, aber machbar.

UZ: Was sind denn deine Hoffnungen an die jetzt anstehende Tarifrunde?

Caro: Das Beste was kommen kann, wäre, wenn unsere Forderungen in den Tarifvertrag aufgenommen werden. Allerdings wären wir auch über jede Übernahme von irgendwelchen Kosten dankbar. Selbst wenn das nicht klappen sollte, was wir natürlich alle hoffen. Dann wenigstens die Schulbücherübernahme. Das sind auch 200 Euro, die kann sich auch nicht jeder leisten. Oder zum Beispiel die Familienheimfahrten nach Hause, die Tickets die wir bezahlen müssen oder die Spritkosten. Einfach so Kleinigkeiten, damit wir auch merken, dass wir und unsere Arbeit anerkannt werden. Weil wir genau die gleiche Arbeit leisten wie die Festangestellten auch. Und die Patienten merken es quasi nicht, dass wir, Schüler sind. Deshalb finden wir es wäre nur fair, wenn wir dafür auch etwas bekommen würden.

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"Ausbildung ohne Vergütung", UZ vom 18. November 2016



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