Klage gegen frühere BAMF-Chefin in Bremen

Bauernopfer

Von Markus Bernhardt

Die Staatsanwaltschaft Bremen hat in der vergangenen Woche Anklage gegen die ehemalige Leiterin der dortigen Außenstelle des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) sowie zwei Rechtsanwälte erhoben. Den Beschuldigten wird vorgeworfen, zwischen Juni 2014 und März 2018 insgesamt 121 Straftaten begangen zu haben. Dabei soll es sich der Anklagebehörde zufolge um Straftaten aus dem Bereich des Asyl- und Aufenthaltsgesetzes, aber auch der Vorteilsannahme beziehungsweise Vorteilsgewährung, der Fälschung beweiserheblicher Daten, der Urkundenfälschung und der Verletzung des Dienstgeheimnisses handeln.

Schwerpunktmäßig werde den Angeschuldigten jedoch vorgeworfen, „ein auf Dauer angelegtes System bei der Bearbeitung von Asylfolgeanträgen geschaffen zu haben, mit dem sie in strafbarer Weise ausländische Mandanten der angeschuldigten Rechtsanwälte vor Abschiebung bewahrten oder ihnen zu einer Verbesserung ihres Aufenthaltsstatus verhalfen“, so die Staatsanwaltschaft weiter. Angeblich hätten sich die Angeschuldigten bewusst über Gerichtsbeschlüsse und bestandskräftige Entscheidungen anderer BAMF-Außenstellen hinweggesetzt und „in einer Vielzahl von Fällen schriftliche Asylfolgeanträge“ unter anderem „bewusst falsche Angaben zur Staatsangehörigkeit“ oder dem jeweiligen Herkunftsland gemacht.

Unterdessen scheint der Skandal deutlich geringer auszufallen, als bei seiner Aufdeckung von vielen Medien behauptet. Und obwohl in der extra eingesetzten Ermittlungsgruppe Beamte der Bundespolizei, der Polizei Niedersachsen, Expertinnen und Experten des Bundeskriminalamtes und des BAMF mit zeitweise bis zu 45 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, tätig waren.

Während in der bundesdeutschen Öffentlichkeit schnell der Eindruck entstand, dass in der Bremer Außenstelle der Behörde ein Netzwerk tätig sei, welches pauschal und ungeprüft Aufenthaltstitel an Flüchtlinge vergeben würde, ergab eine Kleine Anfrage der Bundestagsabgeordneten Ulla Jelpke (Linkspartei) kürzlich, dass im allgemeinen nur 0,5 Prozent der Widerrufsprüfverfahren zu einer Rücknahme führten, zum Beispiel wegen mutmaßlicher Täuschung. „Damit erweisen sich die hunderttausenden pauschalen Widerrufsprüfungen ohne konkreten Anlass als bürokratischer Unsinn, unnötige Belastung schutzbedürftiger Flüchtlinge und nicht zuletzt als Steuergeldverschwendung“, kommentierte Jelpke die Antwort der Bundesregierung zu obligatorischen Widerrufsprüfungen im Asylverfahren.

„Nicht die Anerkennungen von Flüchtlingen sind das Problem, sondern die Ablehnungen. Während die Schutzgewährungen einer Überprüfung fast immer standhalten, müssen die Gerichte Ablehnungen des BAMF zehntausendfach korrigieren“, sagte die Innenpolitikerin. Statt hunderttausendfacher Widerrufsprüfungen brauche man dringend Qualitätsverbesserungen – insbesondere eine unabhängige Asyl-Verfahrensberatung, wie sie ursprünglich sogar im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD vereinbart worden war. Umgesetzt wurde sie jedoch nie.

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"Bauernopfer", UZ vom 27. September 2019



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