Myanmar, Deutschland und die EU

Besonderes Verhältnis

Von german-foreign-policy.com

Trotz der brutalen Operationen der myanmarischen Streitkräfte gegen die Rohingya-Minderheit zieht Berlin einen Ausbau der Militärkooperation mit Myanmar in Betracht. Wie myanmarische Medien übereinstimmend berichten, hat Bundeswehr-Generalinspekteur Volker Wieker im April mit General Min Aung Hlaing, dem Oberbefehlshaber des Landes, über die Ausbildung myanmarischer Offiziere in Deutschland gesprochen. Min Aung Hlaing besuchte nach dem Gespräch das Gefechtsübungszentrum Heer in Letzlingen, eine der modernsten Einrichtungen dieser Art weltweit. Zudem sind Myanmars Militärs, die die Kontrolle über das Land innehaben, mit dem EU-Militärausschuss im Kontakt; dabei geht es ebenfalls um eine mögliche Ausbildungskooperation. Naypyitaw knüpft damit explizit an die jahrzehntelange Unterstützung der Bundesrepublik für die Aufrüstung der burmesischen Streitkräfte und die Ausbildung von deren Soldaten an.

Die militärpolitischen und rüstungsindustriellen Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und Myanmar reichen bis in die 1950er Jahre zurück. Sie waren lange überaus eng mit der von 1954 bis 1990 in Bundesbesitz befindlichen Fritz Werner Industrieanlagen GmbH aus Geisenheim (Hessen) verknüpft, die, wie es in einer Untersuchung über die deutsch-myanmarischen Beziehungen heißt, „für die Ausrüstung der burmesischen Landstreitkräfte sorgte“.

Bereits 1958 errichtete Fritz Werner in Kooperation mit Rheinmetall eine erste Munitionsfabrik im Norden der damaligen Hauptstadt Yangon; zwei weitere Waffenfabriken, eine ebenfalls bei Yangon, die zweite bei Prome, folgten. Das Paradeprojekt der Fritz Werner GmbH in Burma, wie Myanmar damals noch hieß, ist die Herstellung des deutschen Sturmgewehrs G3 gewesen. Die Lizenz dazu hatte Bonn im Jahr 1960 erteilt. Als Übergangslösung bis zum Beginn der Produktion genehmigte die Bundesregierung 1961 die Lieferung von 10 000 Sturmgewehren und von vier Millionen Schuss Munition. Das G3 wurde schließlich die Standardwaffe der burmesischen Streitkräfte.

Die Fritz Werner GmbH, die 1990 an Ferrostaal verkauft worden war, ist bis heute in Myanmar präsent. Zuletzt hat sie sich unter anderem an der Modernisierung der Flughäfen des Landes beteiligt. Eigenen Angaben zufolge hat sie allerdings nichts mehr mit der Rüstungsproduktion zu tun.

Bonn ließ sich auch durch den Militärputsch des Generals Ne Win im Jahr 1962 und die stetige brutale Repression gegen Regimegegner nicht davon abhalten, dem Land etwa bei der Herstellung von Minen oder beim Bau einer TNT-Fabrik unter die Arme zu greifen. Gleichzeitig beteiligte sich die Bundeswehr an der Ausbildung von Soldaten der burmesischen Landstreitkräfte.

Ein Resultat der überaus engen Kooperation war, dass die burmesischen Streitkräfte bei der blutigen Niederschlagung der Massenproteste vom August 1988 deutsche G3-Sturmgewehre nutzten. Bei dem Massaker kamen tausende Oppositionelle ums Leben. G3-Sturmgewehre sind laut Berichten noch 2007 eingesetzt worden, als das Militär erneut gegen Demonstranten einschritt. Auch damals fanden zahlreiche Regimegegner den Tod.

Inzwischen haben aber beide Seiten begonnen, die militärischen Kontakte wieder zu intensivieren. Die allgemeine Verbesserung der Beziehungen gebe schon seit längerer Zeit der Vermutung Raum, dass sich Kooperationschancen auch wieder „im militärischen Bereich“ ergeben könnten. Bereits Anfang Juni 2016 hatte der Vorsitzende des EU-Militärausschusses, General Mikhail Kostarakos, Naypyitaw bereist, um dort unter anderem mit dem Oberbefehlshaber der myanmarischen Streitkräfte, General Min Aung Hlaing, zu konferieren. Im November 2016 empfing der EU-Militärausschuss Min Aung Hlaing zu einem Gegenbesuch. Damals hatten die von dem General geführten Streitkräfte bereits begonnen, Unruhen unter den Rohingya blutig niederzuschlagen; zahlreiche Dörfer waren zerstört, Zehntausende vertrieben und mutmaßlich weit mehr als 100 Menschen getötet worden. Dies hielt die EU nicht davon ab, den myanmarischen Oberbefehlshaber zu empfangen – und anschließend Kostarakos vom 21. bis zum 24. Mai 2017 zum zweiten Mal nach Naypyitaw zu entsenden. Dort verhandelte er erneut über militärische Ausbildungsmaßnahmen und über die mögliche Entsendung eines EU-Militärattachés in das südostasiatische Land.

Die blutigen Operationen der myanmarischen Armee gegen die Rohingya hielten auch die Bundesregierung nicht davon ab, einer Bitte Min Aung Hlaings zu entsprechen und den myanmarischen Oberbefehlshaber zu Gesprächen nach Berlin einzuladen. Am 27. April wurde er von Generalinspekteur Volker Wieker im Verteidigungsministerium empfangen.

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"Besonderes Verhältnis", UZ vom 22. September 2017



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