Besser ohne?

Von Ulf Immelt

Es ist unbestritten, dass Leiharbeit ein äußerst wirksames Instrument ist, Niedriglöhne zu etablieren und Belegschaften zu spalten. In der Frage, wie wirksame Gegenstrategien aussehen können, gibt es jedoch sehr unterschiedliche Positionen. Während die DGB-Gewerkschaften versuchen, durch den Abschluss von Tarifverträgen die Arbeitsbedingungen und Einkommenssituation in der Leiharbeit zu verbessern, stößt diese Strategie bei Teilen der politischen Linken auf Unverständnis bis massive Kritik.

Ein Kritikpunkt ist, dass die DGB-Tarifverträge bestehende Branchentarifverträge aushebeln würden. Dieser Vorwurf ist jedoch leicht zu entkräften. Denn hier gilt, wenn es für Leiharbeitsbeschäftigte günstigere Branchentarifverträge gibt, diese nach wie vor anwendbar bleiben. Das zentrale Argument der Kritiker ist jedoch, dass durch das Festhalten an dem geschlossenen Tarifvertrag zur Leiharbeit der bereits im Gesetz verankerte Grundsatz „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ beziehungsweise „equal pay“ unterlaufen werde.

Zur Erinnerung: Mit der Liberalisierung der Leiharbeit im Rahmen der Hartz-“Reformen“ wurde im Gesetz der Grundsatz „equal pay“ zwar aufgenommen. Dieser wurde aber durch den Zusatz „… es sei denn, es existiert ein Tarifvertrag“ ad absurdum geführt, denn sofort traten „gelbe“ Gewerkschaften auf den Plan und vereinbarten „Tarifverträge“, die sich in erster Linie durch Hungerlöhne auszeichneten. Daraufhin waren die DGB-Gewerkschaften gezwungen, selbst Tarifverträge abzuschließen, um die Arbeitsbedingungen in der Leiharbeit zumindest etwas zu verbessern. Nachdem die „Tarifverträge“ der gelben Gewerkschaften durch Gerichte gekippt wurden, wird nun von Teilen der politischen Linken die These vertreten, die DGB-Tarifgemeinschaft müsse nun einfach die eigenen Tarifverträge in der Leiharbeit kündigen und der „equal pay“-Grundsatz würde automatisch greifen.

Diese Hoffnung ist leider trügerisch. Denn Tarifverträge wirken auch nach Ende der Laufzeit nach und sind anwendbar bis zu einem neuen Tarifabschluss. Im speziellen Fall „Tarifvertrag Leiharbeit“ ist die Nachwirkung zugegeben juristisch umstritten. Dies müssten die Betroffenen aufgrund des fehlenden Verbandsklagerechts jedoch individuell vor den Arbeitsgerichten klären lassen, was bekanntlich lange dauern kann und mit einer lange dauernden Rechtsunsicherheit verbunden ist. Außerdem stellt sich in der Praxis die Frage, ob Kollegen, die nicht selten zwischen Leiharbeit und Erwerbslosigkeit und dem damit verbundenen Sanktionsregime pendeln, den Mut haben, vor ein Arbeitsgericht zu ziehen.

Vor dem Hintergrund, dass der im Gesetz festgeschriebene Grundsatz „equal pay“ nicht in der verleihfreien Zeit gilt, haben DGB-Tarifverträge Leiharbeit zumindest einen Vorteil: Ohne diese und den darin vereinbarten Mindestlohn in der Leiharbeit gäbe es für die Betroffenen in der verleihfreien Zeit nur den deutlich niedrigeren gesetzlichen Mindestlohn. Ein weiteres Argument, das für die DGB-Strategie spricht, ist, dass die Entgelttarifverträge der DGB-Tarifgemeinschaft die Grundlage für die Branchenzuschläge in der Leiharbeit bilden, die durch IG BCE, IG Metall, EVG und ver.di für bestimmte Branchen tariflich vereinbart wurden. Das bedeutet, dass Leiharbeitern nach einer bestimmten Überlassungsdauer zusätzlich zu den tarifvertraglichen Entgelten prozentuale Aufschläge zustehen. Dies führt zumindest zu einer Annäherung der Löhne der Leiharbeitsbeschäftigten an Löhne der Stammbelegschaften.

Trotz dieser Verbesserungen bleibt Leiharbeit eine Form prekärer Beschäftigung und gehört auf den Müllhaufen der Geschichte. Dies wird leider nicht durch die einfache Aufkündigung des DGB-Tarifvertrags Leiharbeit geschehen, sondern muss durch gut organisierte und kampfstarke Belegschaften und deren Gewerkschaft erkämpft werden.

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"Besser ohne?", UZ vom 25. Januar 2019



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