„Vertrag über gute Nachbarschaft, Freundschaft und Zusammenarbeit“ nach 20 Jahren verlängert

China und Russland rücken zusammen

Vor 20 Jahren, am 16. Juli 2021, schlossen die Volksrepublik China und Russland den „Vertrag über gute Nachbarschaft, Freundschaft und Zusammenarbeit“ – ein Meilenstein in der Annäherung beider Staaten. Die aggressive Einkreisungspolitik von USA und NATO, die sich gleichermaßen gegen Russland und China richtet, liefert jeden Tag neue Argumente für die Notwendigkeit dieses Vertrags. Längst sind die militärstrategischen Planungen des Pentagon und der NATO-Führungsstäbe nicht mehr auf einen kriegerischen Konflikt mit entweder China oder Russland ausgerichtet, sondern beschäftigen sich mit der Führung eines „Zweifrontenkrieges“.

Systemischer Gegner

Auf der Internetseite des Pentagon (defense.gov) finden sich nahezu täglich neue Studien und Analysen, die sich mit der Frage beschäftigen, wie der in grellen Farben gemalten Bedrohung durch Russland und China begegnet werden könne. Die assoziierten militärischen Think-Tanks beschäftigen sich mit konkreten Szenarien. Alles unter der Devise „Defense alone will not protect us from Russia and China“ (Verteidigung allein wird uns vor Russland und China nicht schützen), wie sie der CIA-Stratege Douglas London am 5. August auf der regierungsnahen US-Plattform „TheHill“ benannt hat. Die NATO hat die Diktion längst übernommen: Europa und Nordamerika müssen sich endlich eindeutig „gegen autoritäre Regime wie Russland und China stellen“, verkündete NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg am 14. Juni. Die Stimmen in der US-Regierung und der NATO-Führung, die darauf setzten, einen Keil zwischen China und Russland zu treiben, das militärische Engagement der USA in Europa zurückzufahren und sich stattdessen allein auf den asiatischen Raum zu konzentrieren, sind ins Hintertreffen geraten.

US-Präsident Biden hat in den letzten Monaten mehrfach betont, dass sich die USA auf eine Konfrontation mit China und Russland einstellten und versucht, seine europäischen Verbündeten für diese Linie zu gewinnen. Deutschland hingegen versucht, sich eigene Optionen offen zu halten, wie an der Positionierung zum EU-Investitionsabkommen mit China und dem Bau der Pipeline Nord Stream 2 erkennbar ist. Diese Differenzen sind in China nicht unbemerkt geblieben. Zum einen ist man bemüht, die Bindungen mit Russland auf politischem, militärischen und wirtschaftlichen Gebiet zu intensivieren, zum anderen aber auch die Multipolarität der internationalen Politik zu fördern. In der chinesischen Online-Zeitung „Global Times“ vom 3. August wird das wie folgt kommentiert: „In Zukunft sollte der Verbesserung der Zusammenarbeit mit anderen westlichen Ländern als den USA mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden.“ In nächster Zeit sei daher von einer Vertiefung wirtschaftlicher, kultureller und politischer Kontakte mit den europäischen Staaten auszugehen.

Gemeinsam gegen Sanktionen

China und Russland haben im Juni dieses Jahres die Verlängerung des Freundschaftsvertrages vereinbart und damit auch für die Zukunft der Bindung beider Länder eine feste Struktur gegeben. „Peoples Daily“ berichtete dazu am 29. Juni: „In der Pressemitteilung pflichteten beide Länder der Notwendigkeit zu, gemeinsam das internationale System mit den Vereinten Nationen als Kern sowie die internationale Ordnung, die durch das Völkerrecht untermauert wird, aufrechtzuerhalten. Sie versprachen auch, sich gegen die Einmischung in innere Angelegenheiten unter dem Deckmantel von Demokratie und Menschenrechten sowie gegen einseitige Sanktionen zu wenden“.

Hoffnungen setzen beide Länder auch auf die Prosperität der beiderseitigen wirtschaftlichen Entwicklung. Im zwanzigsten Jahr nach der Unterzeichnung des russisch-chinesischen Freundschaftsvertrags erreichten die Kennzahlen der Wirtschafts- und Handelskooperation neue Höchstmarken: Im ersten Halbjahr 2021 stieg das Volumen des Warenaustauschs um 23,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Das elfte Jahr in Folge nahm China die Position des wichtigsten Handelspartners Russlands ein. Die chinesische „Belt and Road Initiative“ (Neue Seidenstraße) führt zu einem stetigen Ausbau der Transportkapazitäten auf der Schiene wie auf dem Seeweg. Dazu wird in einem Joint Venture der Hafen Murmansk (Halbinsel Kola) zu einem Logistik-Knotenpunkt ausgebaut. Es gibt eine große Zahl gemeinsamer Projekte, wie den Bau des weltgrößten Methanolwerks in Chabarowsk, die Erschließung von Erdölvorkommen in der Region Krasnojarsk, die Entwicklung des für 2023 geplanten Großraumflugzeugs CRAIC CR929 oder die Projektion einer internationalen Mondforschungsstation (ILRS), deren Entwicklung „ausdrücklich auch anderen internationalen Partnern offensteht“ („Beijing Rundschau“, 17. Juni 2021).

Unabhängiger Zahlungsverkehr

Der vor allem durch die USA erhöhte Sanktionsdruck auf China und Russland könnte in Zukunft durchaus auch dazu führen, dass beide Länder sich aus dem westlich dominierten Zahlungsverkehr (Dollar und Swift) herauslösen. Anlässlich eines Treffens des chinesischen Außenministers Wang Yi mit seinem russischen Amtskollegen Sergej Lawrow im März dieses Jahres stand dieses Thema auf der Agenda. Lawrow betonte, es gehe langfristig darum, die technologische Unabhängigkeit zu stärken und – alternativ zum Dollar – auf Abrechnungen in nationalen Währungen und in Weltwährungen umzusteigen. Der Hintergrund dieser Bestrebungen dürfte auch darin liegen, dass die USA bereits in der Vergangenheit die in Brüssel ansässige internationale Bankenorganisation Swift benutzt hat, um Banken unliebsamer Staaten vom Zahlungssystem auszuschließen. Das war zum Beispiel 2018 gegen iranische Banken der Fall, nachdem die USA einseitig das internationale Atomabkommen mit Teheran aufgekündigt hatten.

Militärische Zusammenarbeit

Die Kooperation auf militärischer Ebene im Sinne einer von Russland und China häufig betonten „strategischen Partnerschaft“ hat sich im letzten Jahrzehnt angesichts der Einkreisungspolitik von USA und NATO intensiviert. Seit 2005 halten die Armeen beider Länder gemeinsame Übungen ab, zuletzt Anfang August in der nordwestchinesischen Region Ningxia. Es war das erste russisch-chinesische Manöver auf chinesischem Staatsgebiet. Informationsaustausch und Konsultationen auf ministerieller Ebene und zwischen den Führungsebenen der Volksbefreiungsarmee (VBA) und der russischen Streitkräfte haben sich verstetigt. Im Rahmen der Vorbereitungen zur Verlängerung des Freundschaftsvertrages und der hierzu anberaumten Treffen Anfang dieses Jahres zeigte sich, dass mittlerweile auch an ein vertraglich abgesichertes Militärbündnis beider Staaten gedacht wird. Wie „RT.DE“ am 10. Februar unter Bezug auf eine Analyse des Moskauer Instituts für internationale politische und wirtschaftliche Strategien (RusStrat) berichtete, forciere die sich immer unverhohlener abzeichnende expansive Militärstrategie des Westens eine engere Bindung auf dem militärischen Sektor.

Doch auch der Ausbau der militärischen Beziehungen zwischen China und Russland vermag am Ziel chinesischer Außenpolitik, einer friedlichen Weltordnung, nichts zu ändern: „Es geht um eine gute internationale Zusammenarbeit, eine Bewegung weg vom Blockdenken hin zum kooperativen Denken, weg von Gewaltherrschaft hin zu ordentlicher Zusammenarbeit, weg von Drohungen, Erpressungen und Gewaltpolitik hin zu gleichberechtigter internationaler Zusammenarbeit“ (Rolf Berthold, früherer Botschafter der DDR in China, 2018).

Über den Autor

Ralf Hohmann (Jahrgang 1959) ist Rechtswissenschaftler.

Nach seinen Promotionen im Bereich Jura und in Philosophie arbeitete er im Bereich der Strafverteidigung, Anwaltsfortbildung und nahm Lehraufträge an Universitäten wahr.

Er schreibt seit Mai 2019 regelmäßig für die UZ.

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"China und Russland rücken zusammen", UZ vom 27. August 2021



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