Das Virus schafft eine neue Situation

Corona-Waffenstillstand im Jemen?

Langes Händewaschen mit Seife gilt als probates Mittel gegen Corona. Im Jemen zählen sauberes Wasser und Seife zu den seltensten Gütern. Neben Krieg, Hunger und Cholera bedroht nun auch Corona die Menschen im Jemen. Erneute Gespräche über einen Waffenstillstand bleiben vorerst ergebnislos.
Im März jährte sich der Angriff Saudi-Arabiens auf den Jemen zum fünften Mal. Er begann am 26. März 2015 und schon kurz darauf – am 21. April 2015 – meldete die saudisch-geführte Militärallianz siegesgewiss, ihre Ziele seien erreicht. Doch schon am 22. April wurden die Angriffe wieder aufgenommen, der Krieg dauert bis heute an.

Die saudische Siegessicherheit ist verschwunden. Immer wieder gibt es Drohnenangriffe oder Angriffe mit ballistischen Raketen durch die Ansarallah (Huthi-Miliz) auf Ziele in Saudi-Arabien. Im Norden des Jemen bedrohen Truppen der Ansarallah die Stadt Marib, einen wichtigen Stützpunkt der „International anerkannten Regierung“, die von Saudi-Arabien unterstützt wird. Zur Zeit sind die Ansarallah militärisch auf dem Vormarsch.

Für Saudi-Arabien, das in fünf Jahren Krieg keines seiner Ziele im Jemen erreicht hat, sind die Schuldigen schnell ausgemacht. Der Sprecher der saudischen Militärkoalition, Oberst Turki al-Maliki, erklärte, die Angriffe auf saudisches Gebiet seien von den „Huthi-Terroristen und ihren Verbündeten der iranischen Revolutionsgarden“ durchgeführt worden. Ein Vorwurf, der von Saudi-Arabien und seinen Unterstützern in Washington und London immer wieder erhoben – und vom Sprecher des iranischen Außenministeriums zurückgewiesen wird.

Durch den Krieg ist das Gesundheitssystem des Jemen zerrüttet und könnte einer Corona-Epidemie nicht standhalten. Der Gesundheitsminister der Ansarallah in Sanaa, der Hauptstadt des Jemen, erklärte, 95 Prozent der medizinischen Ausrüstung des Jemen sei zerstört.

Bisher ist keine Corona-Infektion nachgewiesen, auch nicht bei den Reisenden, die im Januar und Februar aus China in den Jemen zurückgekehrt sind. Damit es dabei bleibt, haben sowohl die Ansarallah als auch die Regierung Hadi ein Start- und Landeverbot verhängt. Davon sind auch einige nicht priorisierte Hilfslieferungen betroffen.

Im Jemen ist eine neue Situation entstanden. Aufrufe für einen Corona-Waffenstillstand mehren sich. UN-Generalsekretär Guterres rief dazu auf, die Krankheit des Krieges zu beenden und stattdessen die Krankheit zu bekämpfen.

Sowohl die international anerkannte Regierung als auch Saudi-Arabien und die Ansarallah erklärten, zu einem Waffenstillstand bereit zu sein. Doch wenige Tage nach der grundsätzlichen Einigung auf einen Waffenstillstand kam es zu gegenseitigen Angriffen.

Der saudische Botschafter im Jemen sprach von Verhandlungen zwischen dem Königreich und den Ansarallah. Saudi-Arabien wolle Vertreter der Regierung und der Ansarallah nach Riad zu Verhandlungen einladen – trotz der Eskalationen in den letzten Tagen.

Die Vereinigten Arabischen Emirate als Verbündete Saudi-Arabiens haben den größten Teil ihrer Truppen aus dem Jemen zurückgezogen und unterstützen eine separatistische Bewegung im Süden des Jemen. Das billige Öl belastet das Budget Saudi-Arabiens – wie viel Geld bleibt da für den Krieg im Jemen?

So könnte ein Corona-Waffenstillstand Saudi-Arabien sogar die Gelegenheit bieten, einen sinnlosen und ergebnislosen Krieg zu beenden. Doch geht es auch um höhere Interessen – den Kampf gegen den Einfluss des Iran.

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"Corona-Waffenstillstand im Jemen?", UZ vom 10. April 2020



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