Cum-Ex-Affäre und der Kanzler

„Am Anfang der Krankheit sind häufig Kurzzeitgedächtnis und Merkfähigkeit gestört, im weiteren Verlauf verschwinden auch bereits eingeprägte Inhalte des Langzeitgedächtnisses.“ So beschreibt das Bundesministerium für Gesundheit auf seiner Webseite Demenz. Ob es sich zur Frage des Verschwindens bereits eingeprägter Inhalte mit dem Bundeskanzleramt ausgetauscht hat, ist nicht bekannt, aber nicht ganz unwahrscheinlich. Denn damit kennt man sich im Bundeskanzleramt aus.

Bundeskanzler Olaf Scholz scheint eine ziemlich lückenhafte Erinnerung an seine Zeit als Erster Bürgermeister der Hansestadt Hamburg zu haben, zumindest was Begegnungen mit Vertretern der Warburg Bank angeht.

Dem ehemaligen Linkspartei-Politiker Fabio De Masi wurde das jetzt zu bunt, er hat Anzeige wegen Falschaussage gegen den Bundeskanzler erstattet. Denn der gab vor dem Hamburger Untersuchungsausschuss zur Cum-Ex-Affäre an, keine Erinnerungen an Treffen mit der Bank oder ihren Gesellschaftern zu haben, ließ aber das Stattfinden eines solchen Termins über seinen Sprecher bestätigen. Der Termin stand in keinem Kalender, muss also vom Kanzler erinnert worden sein.

Vielleicht hat sich bei Scholz das bereits eingeprägte Wissen über Ablauf und Inhalt der Termine verabschiedet und es ist nur noch die blanke Hülle, der Termin an sich, im Langzeitgedächtnis erhalten. Wahrscheinlicher ist, dass De Masi recht hat.

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Über die Autorin

Melina Deymann, geboren 1979, studierte Theaterwissenschaft und Anglistik und machte im Anschluss eine Ausbildung als Buchhändlerin. Dem Traumberuf machte der Aufstieg eines Online-Monopolisten ein jähes Ende. Der UZ kam es zugute.

Melina Deymann ist seit 2017 bei der Zeitung der DKP tätig, zuerst als Volontärin, heute als Redakteurin für internationale Politik und als Chefin vom Dienst. Ihre Liebe zum Schreiben entdeckte sie bei der Arbeit für die „Position“, dem Magazin der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend.

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"Cum-Ex-Affäre und der Kanzler", UZ vom 1. September 2023



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