Kurt Baumann zu: „Strategien der Herrschenden zur Einflussnahme auf die und zur Funktionalisierung der Krise“ (Auszug)

Das Kapital ist das Problem

Ich will die Funktionalisierung der Klimakrise durch das Monopolkapital und ihre Einflussnahme auf die Krise beziehungsweise auf die die Krise beantwortenden Kräfte, konkret die Klimabewegung, darlegen. Dabei geht es mir nicht darum, eine Bewegung zu beurteilen: Es geht nicht um ein Pro oder Contra.

Es geht um die Analyse der objektiv wirkenden Klassenkräfte, folglich um die Frage, in wessen Interesse ideologische Positionen, Forderungen und reale Politik gemacht werden. Das bedeutet, dass wir hier immer von Kräfteverhältnissen reden werden, denn nur den Kapitaleinfluss am Werke zu sehen ist der objektivistische Fehler, der das Kräfteverhältnis ignoriert und letzten Endes in Verschwörungstheorien landet und ganz praktisch von der falschen Prämisse ausgeht, das Kapital hätte bereits einheitliche Positionen oder sei im Prinzip allmächtig.

Auf der anderen Seite steht eine Position, die das bloße Wirken junger Menschen für eine „gute Sache“ sieht und den Einfluss des Kapitals auf die Bewegung ignoriert. Auch die Hetze von Rechts tut ihr übriges, damit diese Position sich als antifaschistisch empfindet. Es bleibt freilich ein Antifaschismus der einfachen Negation. Hier drückt sich eine subjektivistische Position aus, die die Erklärungen der Bewegung für das Wesen (und das wäre für uns immer das Klassenwesen) der Sache selbst hält. Politisch folgt daraus eine Bewegungseuphorie.

Wollen wir dem entgehen, bedarf es einer objektiven Analyse der Klassenkräfte und des Kräfteverhältnisses, das wir hier wirksam vorfinden. Grundlage dieser Objektivität ist die kommunistische Parteilichkeit, die in einer sehr langen Tradition steht. Das Kapital, erklärt Marx, untergräbt die Arbeiter und die Natur und damit die Springquellen seines Reichtums. Der Kampf gegen die Zerstörung der Umwelt ist also nichts, wobei man sich auf die Kapitalkräfte verlassen könnte. Im Gegenteil: Sie sind das Problem.

Das ist auch die praktische Gegenposition zu einem Revisionismus, der die Gattungsinteressen vom Interesse derjenigen loslöst, die das Interesse durchkämpfen müssten. Wer meint, zuerst das Klima retten oder Frieden erkämpfen oder den Faschismus schlagen und dann irgendwann später, wenn das mal fertig ist, Klassenkampf machen zu können, der befindet sich auf eben der schiefen Ebene, die Gorbatschow zum Prinzip machte und die zur Unterordnung unter die bürgerliche Gesellschaft führt, anstatt sie zu bekämpfen. (…)

Das deutsche Kapital – das darf in den Publikationen der Bundesregierung zwar nicht gesagt werden, entspricht aber der Realität – nähert sich der Krise. Der Umstieg auf „grüne Produktion“ kann also sein: Erstens, die

H öffentlichkeitswirksame Möglichkeit der Imagepflege („greenwashing“), zweitens ein

H Argument zur Kapitalmobilisierung gegenüber dem Staat oder drittens

H In der Angst, demokratische Bewegungen könnten Verbote erkämpfen, Schaffung eines Absatzmarktes. Die Krise droht und nun bedarf es der Subventionen.

Deswegen wird aus allen Quellen Geld mobilisiert.

Aus der vom deutschen Imperialismus dominierten EU zum Beispiel soll mehr Geld für die deutschen Agrarkonzerne für Umweltschutzziele locker gemacht werden. Kurz zuvor hatte sich der Verband der Großbauern (der „Deutsche Bauernverband“ DBV) über den Grünen Anton Hofreiter an die CDU gewandt: Es brauche eine „umfassende Ackerbaustrategie“. Das konkretisierten die Großbauern: staatliche Gelder gegen die Auswirkungen des Klimawandels, vor allem in Form einer Versicherungsmöglichkeit gegen Dürren und Unwetter. Die Subventionen der EU sorgen dafür, dass die Flächen zusammengelegt werden und der Boden monopolisiert wird, das führt zu Monokulturen und damit größerer Anfälligkeit für Dürren und Schädlinge. Den Grünen wie den Großbauern geht es nicht um Umweltschutz. Es geht um die Absicherung ihrer verfehlten Politik auf Kosten der nichtmonopolistischen Schichten, vor allem der kleinen Bauern.

Meines Erachtens können aus diesen Publikationen folgende Aussagen über das Kapitalinteresse getroffen werden:

1. Das Vorgehen, die Interessen des deutschen Großkapitals als die Interessen des deutschen Volkes auszugeben und durch eine Katastrophenstimmung über „neue Gefahren“, also angeblich die Klimakrise, kennt die Arbeiter- und demokratische Bewegung bereits. Es war die ideologische Begleitmusik zu den autoritären Formierungsbestrebungen Ludwig Erhards in den 1960er Jahren und zur Agenda 2010.

In Anlehnung an Reinhard Opitz sprechen wir hier also von Formierung. Damit meinen wir die Unterordnung der Interessen der nichtmonopolistischen Bevölkerungsteile unter die Interessen der Monopole, ohne dafür den offenen Terror in Anspruch nehmen zu müssen. Dazu bedarf es einer Massenbasis. Zunächst als parlamentarische Massenbasis an der Wahlurne, dann aber gerne auch als außerparlamentarische Massenbasis auf der Straße.

2. Mit bemerkenswerter Offenheit spricht Altmaier aus, wie sehr der tatsächliche Umweltschutz, insofern er nicht dem Zuwachs an Produktivität oder der Steigerung der ökonomischen Macht des deutschen Imperialismus dient, außerhalb der auch nur zu diskutierenden Positionen liegt. In einem Papier, in dem Gründe für die staatliche Intervention genannt werden, hätte man dies erwarten können. Es gab aber nichts dergleichen.

In Fragen des Umweltschutzes ist von der derzeitigen Interessenvertretung der deutschen Monopole nichts zu erwarten. Sie befindet sich aber in dem Widerspruch, dass zum Beispiel Großbauern die Auswirkungen tatsächlich spüren und ihre Interessen geltend machen. Sie muss die Realitäten der Klimaentwicklung also zumindest teilweise anerkennen.

3. Altmaier formuliert seine Strategie als Auftakt zu einer Debatte. Der Satz, die verschiedenen Industrien nicht gegeneinander auszuspielen, kann folglich als Äußerung betrachtet werden, die Interessen der deutschen Monopole zu bündeln und Ansprüche gegenüber dem Staat in der an die „schwarze Null“ gewöhnten Öffentlichkeit zu legitimieren. Die Tatsache, dass er diese Äußerung tätigen muss, weist aber gleichzeitig darauf hin, dass es keine einheitliche Linie innerhalb des deutschen Monopolkapitals gibt. Es ist also die von Altmaier angedachte Debatte tatsächlich – aber eben mit den Methoden des staatsmonopolistischen Kapitalismus zu erwarten.

Fassen wir zusammen: Einig ist sich das Kapital in seinem Interesse an der Formierung, um das ideologische Einverständnis der Beherrschten zu den Interessen der Herrschenden zu organisieren. Widersprüche gibt es dort, wo einige Teile die Klimakatastrophe ignorieren können, während die Interessen anderer Teile des Kapitals diese Ignoranz nicht vertragen. Sie verlangen Kapitalmobilisierung oder den staatlichen Schutz ihrer Kapitalanlagen.

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"Das Kapital ist das Problem", UZ vom 1. November 2019



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