Arnold Schölzel über Thüringen

Das Ramelow-Modell

Was hat Bodo Ramelow für den „Stabilitätspakt“ mit der CDU politisch bezahlt? Die Frage führt zum Kern. Das um 9 Uhr vormittags am 4. März vor der Landtagssitzung unterzeichnete Protokoll zwischen Linkspartei, SPD, Grünen und CDU brachte nicht nur Ramelow erneut auf den Stuhl des Ministerpräsidenten, sondern auch zur Einbindung der AfD. Für die Öffentlichkeit ist das Modell Ramelow die erste De-facto-Koalition von Linkspartei und CDU im Osten. Wer aber dort mit Christdemokraten Geschäfte aushandelt, sitzt indirekt auch mit der AfD am Tisch. Die ist vom gleichen deutschnationalen Stamm und die Öffnung für Faschisten gilt beiden als lässliche, nur in Berlin und im Westen Aufregung verursachende Sünde.

Ramelow hat den CDU-Wurmfortsatz bewusst mit eingekauft. Die Belege: Letzte Woche Mittwoch schwadronierte Ramelow nach seiner Wiederwahl über das „totalitäre System“ der DDR, das „keine Luft zum Atmen“ gelassen habe, und ließ im Land von Buchenwald und Mittelbau Dora, von „Thüringer Heimatschutz“ und NSU kein Wort zum Faschismus fallen. Vielmehr forderte er den Faschisten Björn Höcke auf, Demokrat zu werden. Prognose: Das wird eine von dessen leichtesten Übungen.

Am Tag darauf verschaffte Ramelow mit seiner Stimme dem AfD-Kandidaten für den Posten des Landtagsvizepräsidenten, Michael Kaufmann, die absolute Mehrheit und beugte sich der AfD-Erpressung, bei dessen Scheitern den Richterwahlausschuss zu blockieren. Kaufmann ist ein Jenaer Technikprofessor und war Mitbegründer der AfD 2013, also so honorig wie Cäsars Mörder bei Shakespeares Mark Anton: „Brutus ist ein ehrenwerter Mann, denn das sind sie alle, alle ehrenwert.“ So einer macht den Höcke populär und manierlich. Am Freitag schließlich: Alle Fraktionen im Landtag stimmen einem Gesetzentwurf von CDU und FDP zu: Investitionszulagen für Kommunen sofort. Beim ergänzenden Vorschlag von Linkspartei, SPD und Grünen, der die Zahlungen bis 2024 regelt, enthielt sich die AfD lediglich der Stimme. Staatstragende Begründung: Das greift den Jahresetats vor.

Das Modell Ramelow kennt keine Parteien mehr, sondern nur Thüringer Demokraten. Und wenn einer wie Höcke keiner ist, dann gilt er als Noch-nicht-Demokrat. Ernst Bloch meinte einst, auch aus Nichts könne etwas werden. Ramelow sieht das für Höcke genauso. Denn: Nazis hat es nie gegeben, der Schrecken aller Schrecken war das „totalitäre DDR-System“.

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"Das Ramelow-Modell", UZ vom 13. März 2020



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