Herbert Becker

Der böse Wolf geht um

Von Von fiesen RAF-Beschützern und einem netten Treuhand-Chef –

Am 1. April 1991 wurde Detlev Karsten Rohwedder in seinem Haus in Düsseldorf-Oberkassel durch einen präzisen Schuss getötet. Der Zweiteiler „Der Mordanschlag“, produziert vom ZDF, will die Vor- und Nachgeschichte dieser Tat erzählen, bedient sich geringer Änderungen von Orten und Namen der handelnden Personen und schafft eine diffuse Gemengelage.

Der Chef der Treuhand in diesem Film, gespielt von Ulrich Tukur, ist ein weichgespülter Manager des westdeutschen Kapitals, er hat keine Vorgeschichte wie das Original. Rohwedder selbst war seit zehn Jahren Chef von Hoesch in Dortmund und erfolgreich dabei, den Konzern im Sinne der Investoren und der Politik „neu zu gestalten“. Im Film kommt er aus dem Nirgendwo, ist – als alter Sozialdemokrat – von der Idee begeistert, die über 8 000 Betriebe der DDR möglichst zu erhalten, sie zu sanieren (von wem auch immer) und weiter arbeiten zu lassen. Ein netter Familienvater mit „viel zu wenig Zeit für meine Lieben“ und gutgläubig, was Dezernenten der Behörde und was seine engsten Mitarbeiter angeht. So einer hätte, so die Mär, wenn ihn nicht böse Machenschaften und Intrigen aus dem Weg geschafft hätten, sicherlich den Ausverkauf der DDR verhindert.

Seine neue Assistentin, ein wenig der Susanne Albrecht nachempfunden, die sich beim Frankfurter Bankier Jürgen Ponto einschlich, ist wütend auf den Kapitalismus, will mithelfen, dass der wegkommt und ist, dank persönlicher Bindung an ein Mitglied der RAF-Kommandoebene, gut dafür geeignet, Orte, Termine und Reisewege ihres Chefs weiterzugeben. Die RAF-Leute sind nun wirklich sinistre Filmgestalten, kalt und böse, berechnend und mordlüstern. Das Sahnehäubchen obendrauf ist, dass sie auch nur gesteuert sind, und hier kommt es dann so, wie hier und heute Geschichtsschreibung funktioniert: Diese RAF wurde von den finsteren Gesellen der Stasi nicht nur beschützt, sondern auch ausgerüstet mit allem, was das Terroristenherz begehrt, also Pässen, Geld, Bombenmaterial und Waffen. Ob tatsächlich Mitarbeiter des Ministeriums, das zwar bereits seit Frühjahr 1990 aufgelöst war, immer noch – und in welchem Auftrag – „Tätigkeiten“ nachgingen, wird im Film nicht hinterfragt, sondern für gegeben genommen.

Auch dürfen windige Geschäftemacher aus der alten BRD nicht fehlen, die mit selbstverständlich korrupten Direktoren der Treuhand für kleines Geld an Industriebetriebe der DDR kommen wollen. Ob die wiederum die Stasi-Seilschaften nutzten, um die RAF zu motivieren, Rowedder loszuwerden, wird noch nicht mal angedeutet. So schmutzig kann die Kapitalistenklasse doch bitteschön nicht sein.

Lieber lässt man es heftig menscheln: zerrissene Seelen, Mutter- und Vaterliebe, Verrat und Verkauf hehrer Absichten – das ganze Potpourri aus dem Gruselkabinett der ZDF-Redaktion.

Es gibt einige wenige gute Bücher zu diesen Vorgängen, empfohlen sei hier der erste Roman von Wolfgang Schorlau „Die blaue Liste“. Besser den lesen als mit so einem Machwerk Lebenszeit vergeuden. Oder, um es mit Schorlau zu sagen: „Der Autor kann nur eine Geschichte erzählen, aber wenn Polizei, Justiz und Politik versagt haben, muss es dem Geschichtenerzähler erlaubt sein zu sagen: Es ist nur eine Geschichte, aber vielleicht war es so.“

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Über den Autor

Herbert Becker (Jahrgang 1949) hat sein ganzes Berufsleben in der Buchwirtschaft verbracht. Seit 2016 schreibt er für die UZ, seit 2017 ist es Redakteur für das Kulturressort.

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"Der böse Wolf geht um", UZ vom 16. November 2018



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