Der „Fortschritt“ 
heißt Clinton

Kolumne von Manfred Idler

Der Zirkus neigt sich dem Ende zu. Bei den Vorwahlen zu den US-Präsidentschaftswahlen hat Donald Trump die Mitbewerber aus seiner Partei abgehängt – er ist der erste unter der „Bande von Halsabschneidern“, wie ein US-amerikanischer Genosse die anfänglich 16 republikanischen Kandidaten charakterisierte. Bei den Demokraten scheint der Vorsprung von Hillary Clinton vor Bernie Sanders uneinholbar. Möglich, dass den Anhängern Sanders‘ damit eine Enttäuschung erspart bleibt. Denn der Spielraum eines US-Präsidenten ist sehr klein, wenn das Kapital sich angegriffen fühlt.

Das chauvinistische Trumpeltier gegen die Lady, die schon acht Jahre lang ihrem Land als White-House-Drachen und vier Jahre als Außenministerin gedient hat: für den (neo-)liberalen Medien-Mainstream ist das die ideale Paarung. Dessen Votum ist eindeutig: Trump ist die Hassfigur. Hinter seiner „America first“-Fahne sammeln sich die reaktionärsten isolationistischen Kräfte der USA, religiöse Fundamentalisten und Unterschichtsrassisten, der absturzbedrohte Mittelstand, lokale kleine und mittlere Industrie. Die Wall Street dagegen ist weltoffen: für das weltweite Absaugen der Produktivkraft Intelligenz, vorwiegend aus den Ländern der „dritten Welt“, für die Möglichkeit, durch Freihandel die eigene technologische Überlegenheit profitbringend einzusetzen. Für die profitabelste Vernutzung von Arbeitskraft ohne Ansehen von Religion, Hautfarbe oder Geschlecht. Und natürlich für den militärisch gestützten und auch durchgesetzten Export von „Freedom and Democracy“. Für diese Art imperialistischen Fortschritts steht Hillary Clinton.

So gesehen ist sie tatsächlich die Fortschrittlichere der beiden. Ein „kleineres Übel“ ist sie bestenfalls graduell. Für die Menschheit wäre ein klassisch-konservativer Kandidat – der nicht zur Verfügung steht – vielleicht noch die beste Wahl gewesen. Konservative haben bisweilen eine ethische Bremse aufgrund religiöser Überzeugung oder humanistischer Tradition. Eine Bremse, die „Progressiven“ auf dem Weg von Mitte-links nach rechts fehlt. In Europa haben wir diese Erfahrung mit Schröder und Blair und deren Kriegen nach innen und außen gemacht.

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"Der „Fortschritt“ 
heißt Clinton", UZ vom 13. Mai 2016



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