Dokumentation „Red Army -Legenden auf dem Eis“ erscheint auf DVD

Der Kalte Krieg auf dem heißen Eis

Von Lars Mörking

Red Army – Legenden auf dem Eis, ab dem 26. Juni auf DVD & Blu-Ray, USA/Russland 2014, 76 Minuten

Es gibt eine ganze Reihe von sportlichen Höhepunkten im sogenannten „Kalten Krieges“: der Sieg der Fußballmannschaft der DDR über die BRD bei der WM 1974, der Gewinn der Goldmedaille im Basketball durch die Sowjetunion bei der Olympiade in München 1972, von den kubanischen Boxweltmeistern und Olympiasiegern ganz zu schweigen. Dabei soll es auch zahlreiche sportliche Erfolge der kapitalistischen Welt gegeben haben, die uns allerdings nicht im Gedächtnis geblieben sind. Eine Sportart, in der solche Erfolge eher selten waren: Eishockey.

Von Eishockey, sowjetischem Eishockey, handelt die Dokumentation „Red Army – Legenden auf Eis“. Das Besondere sind nicht die Titel, die die Sowjetunion in diesem Sport gesammelt hat, es ist die Geschichte eines Fünferblocks um den Verteidiger und späteren russischen Sportminister Wjatscheslaw Alexandrowitsch Fetissow, der nach 1989 von der nordamerikanischen Profiliga NHL aufgekauft wurde.

Er wurde zwischen 1977 und 1989 mit seinem Verein ZSKA Moskau, dem Verein der Roten Armee, 13 mal sowjetischer Meister, also durchgängig. Dies scheint aber nicht besonders erwähnenswert, bzw. spielt in der Dokumentation keine Rolle. Was interessiert, ist der Gewinn des Stanley-Cups 1997, der nordamerikanischen Meisterschaft, als Fetissow an der Seite von Sergei Wiktorowitsch Fjodorow, Wjatscheslaw Anatoljewitsch Koslow, Igor Nikolajewitsch Larionow und Wladimir Nikolajewitsch Konstantinow den „sowjetischen“ Fünferblock bei den Detroit Red Wings bildete.

Die ehemaligen ZSKA-Spieler funktionierten nur als eigenständiger Block, in anderen Teams hatten sie als individuell agierende Spieler wenig Erfolg. Vielleicht waren sie deshalb für Detroit billig genug, um im Paket eingekauft zu werden: „Ich hätte gerne mehr über ihr System erfahren, aber letzten Endes ließ ich sie einfach machen“, sagte dazu Scotty Bowman, damaliger Cheftrainer der Red Wings. Dieses „sowjetische“ Spielsystem basiert auf einem schnellen Kurzpassspiel, in dem die verschiedenen Laufwege der Spieler ineinander greifen.

Auch wir hätten gerne etwas mehr über dieses System erfahren, doch kommt das Sportliche in „Red Army“ etwas zu kurz, auch wenn kreative Trainingsmethoden, sportliche Erfolge und persönliche Rückblenden hübsch grafisch und musikalisch unterlegt werden (klassisch-sowjetisch). Viel Zeit wird auf die Darstellung der Methoden des Trainers der sowjetischen Eishockey-Nationalmannschaft Wiktor Wassiljewitsch Tichonow (1976–1992) verwendet, der in dieser Dokumentation das Böse, Totalitäre, personifiziert. Dazu zumindest leistet auch Fetissow seinen Beitrag, der sonst seinen Dienst verweigert, wenn Regisseur Gabe Polsky versucht, aus ihm das herauszukitzeln, was US-Amerikaner sowieso vermuten: die sportlichen Leistungen gehen auf immensen Druck von Oben zurück, Sport galt in der Sowjetunion als politisch, ja sogar als Krieg auf dem Eis – ganz im Gegensatz zur freien, individuellen Entscheidung von Profisportlern, wo lediglich ökonomischer Druck wirkt („Will ich meine Gesundheit riskieren, wenn ich dadurch Millionär werden kann?“).

Zum Glück legt Polsky seine Absicht gleich zu Anfang offen, indem er Fetissow, die Hauptfigur der Dokumentation, darum bittet, doch etwas über sein Leben in der Sowjetunion zu erzählen. Dazu macht er gleich passende Vorschläge „für das amerikanische Publikum“: Er solle doch über das Schlangestehen oder darüber, dass man nicht reisen konnte, reden. Fetissow aber ist auf Werbetour für die Winterspiele in Sotschi, als „Red Army“ gedreht wird. Komischerweise bringt diese Konstellation (plakativ: „Dummer US-Amerikaner fragt arroganten russischen Sportfunktionär“) in die Gespräche eine interessante Note, führt zu Schlagabtausch, der den Film wenigstens zeitweise rettet, nämlich immer dann, wenn nicht die sportlichen Höhepunkte der sowjetischen Eishockeylegenden gezeigt werden.

Red Army – Legenden auf dem Eis, ab dem 26. Juni auf DVD & Blu-Ray, USA/Russland 2014, 76 Minuten

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Über den Autor

Lars Mörking (Jahrgang 1977) ist Politikwissenschaftler. Er arbeitete nach seinem Studium in Peking und war dort Mitarbeiter der Zeitschrift „China heute“.

Mörking arbeitet seit 2011 bei der UZ, zunächst als Redakteur für „Wirtschaft & Soziales“, anschließend als Verantwortlicher für „Internationale Politik“ und zuletzt – bis Anfang 2020 – als Chefredakteur.

 

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"Der Kalte Krieg auf dem heißen Eis", UZ vom 19. Juni 2015



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