Wie die ‚Freiheitlichen‘ Österreichs Asyldebatte zuspitzen und so Wahlen gewinnen

Der rechte Dirigent

Von Zoran Sergievski

26,8 Prozent im Landtag der Steiermark, 15 Prozent und eine Koalition mit den Sozialdemokraten im Burgenland, eine Verdopplung auf 30,4 Prozent und eine Regierungsbeteiligung in Oberösterreich, 30,8 Prozent und ein Vizebürgermeisterposten in Wien – so gestaltet sich der Triumphzug der nationalistischen Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) 2015. Während Analysten gerne behaupten, der Zenit der ausländerfeindlichen „Blauen“ sei damit erreicht, rätseln Linke von Innsbruck bis Graz, wie es so weit kommen konnte. Die Antwort ist denkbar einfach. Die FPÖ bedient sich eines bei allen Rechten beliebten Mittels: der sozialen Demagogie. Damit hat sie auch nicht erst mit dem Syrienkrieg oder ihrem charismatischen Führer Heinz-Christian Strache begonnen.

Schon dessen Ziehvater Jörg Haider, der Österreich eine „ideologische Missgeburt“ nannte und so dem völkischen Kern der FPÖ schmeichelte, trieb die „Großparteien“ vor sich her. Er initiierte etwa das Volksbegehren „Österreich zuerst“. Im Kern ging es um eine drastische Verschärfung des Fremdenrechts in der Alpenrepublik. Das war 1993, zu Hochzeiten der Jugoslawienkriege. Ausgangspunkt der Debatte waren wie heute Menschen, die zu hunderttausenden vor Mord und Armut nach Mitteleuropa flohen.

Ähnlich dem Mob von Lichtenhagen für Bonn und später Berlin bestimmte „Österreich zuerst“ den Ton der Asylpolitik aller folgenden Wiener Regierungen. Nacheinander setzten Sozialdemokraten (SPÖ), Christlichsoziale (ÖVP) und natürlich die Freiheitlichen selbst Haiders menschenfeindliche Forderungen um. Zwischen 2000 und 2005 saß die FPÖ als Juniorpartner der ÖVP in der Regierung. Als Strache bei einem Parteitag gegen seinen Gönner Haider putschte, spaltete sich dieser mit Getreuen ab und gründete das „Bündnis Zukunft Österreich“, das BZÖ. Dieses saß noch bis 2007 in der Regierung, ist aber nach zahlreichen Folge-Spaltungen aufgerieben. Haider war damals Regierungschef in Kärnten. Seine Marionetten im Bund verscherbelten die meisten Staatsbetriebe und verursachten die größten Korruptionsskandale seit Jahrzehnten. Noch heute kämpft das Land mit den finanziellen Folgen und der Aufklärung dieser Zeit.

Haider starb alkoholisiert am Steuer seines Phaeton. Unter Strache stieg die FPÖ wie Phönix aus der Asche und holt seither massiv auf. Das gelingt, indem die genannten Skandale Haider angelastet werden. Die marktradikalen Inhalte der Partei und ihre sozialfeindliche Politik werden kaschiert. Armut, Elend und Missstände schieben Abgeordnete der FPÖ wahlweise auf Griechen, Moslems oder eben Flüchtlinge. Und sie dirigiert weiter: Im Sommer forderte Strache mit Verweis auf Ungarn „einen Grenzzaun“ um Österreich. Schließlich umzäune er sein Haus auch. Nun spricht auch die ÖVP-Innenministerin Johanna Mikl-Leitner von einem Grenzzaun. SPÖ-Kanzler Werner Faymann will das Z-Wort verhindern und redet lieber von einem „Türl mit Seitenteilen“.

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Kritischer Journalismus braucht Unterstützung, um dauerhaft existieren zu können. Daher laden wir Sie ein, die UZ als Wochenzeitung oder in der digitalen Vollversion 6 Wochen kostenlos und unverbindlich zu testen. Sie können danach entscheiden, ob Sie die UZ abonnieren möchten.

✘ Leserbrief schreiben

An die UZ-Redaktion (leserbriefe (at) unsere-zeit.de)

"Der rechte Dirigent", UZ vom 6. November 2015



    Bitte beweise, dass du kein Spambot bist und wähle das Symbol Baum.



    UZ Probe-Abo [6 Wochen Gratis]
    Unsere Zeit