Griechenland auf dem Weg zum Sozialismus

Die Lachnummer der Woche

Von Rolf Priemer

Wer bislang geglaubt hatte, nur BLÖD macht blöd, hat durch die Berichterstattung der Medien über die Griechenland-Krise hinzulernen können. Was haben wir da nicht alles lesen, hören und sehen können über die Scharlatane, Provokateure und Erpresser aus dem Kindergarten im Süden Europas, mit denen man wünschte, als Erwachsene miteinander sprechen zu können. Einige Hörfunksendungen ausgenommen, wurden die Bundesbürgerinnen und Bundesbürger vor, während und nach dem Referendum entsprechend geimpft. Am Sonntagabend konnten daher Millionen Deutsche nur staunen, was die Griechen da angerichtet hatten. Die in den meisten Medien veröffentlichten Volksmeinungen hatten doch ganz andere Ergebnisse prophezeit. Auch die sich nicht einmischen wollenden Euro-Politiker hatten „aus guten Gründen“ Empfehlungen für ein Ja gegeben. 51 Bundestagsabgeordnete der SPD und der Grünen hatten in Anzeigen ihre Meinung in griechischen Zeitungen annonciert und „schüchtern“ für ein Ja geworben.

Alles nichts genutzt: Die Griechinnen und Griechen haben zu den Sparauflagen der internationalen Kreditgeber Nein gesagt. „Die jungen Leute“, so der Ex-FDP-Mann Georgios Chatzimarkakis, „ – und das macht mich wahnsinnig – haben mit Mehrheit mit Nein gestimmt.“ 60 Prozent Zustimmung für die „grinsende Radikalengruppe“, die „linksradikalen Zocker aus Athen“ (BILD)! „Alexis Tsipras und seine Kollegen haben ihrer Nation eine Katastrophe beschert“, kommentierte die „Financial Times“ am Tag danach.

Natürlich wussten auch die – ob ihrer Prognosen und Erwartungen – maßlos blamierten und enttäuschten Medien sofort – „überparteilich und unabhängig“ voneinander – am Tag danach, wie man dieses Ergebnis zu werten habe. So kommentierte der Münchner Merkur: „Wenn sich der Freudentaumel in Athen gelegt hat und die Propagandalügen der Regierung verwelken, werden die Griechen realisieren, dass sie sich an diesem Sonntag auf einen langen und entbehrungsreichen Weg begeben haben. Der führt nicht ins versprochene sozialistische Paradies. Sondern zurück zur Drachme“. Und auch der Bonner „Generalanzeiger“ deckte bei Syriza auf: „Die größten Schwierigkeiten hat am Ende das griechische Volk. Seine Regierung besteht aus Marxisten und sie zeigt deren oft zynisches Verhältnis zu den Sorgen der Menschen … Tsipras hat die Menschen in ein Referendum geführt, das ihnen nichts bringt.“ Da sind wir in der Tat alle gespannt.

Die Nordwest-Zeitung weiß aber schon: „Zwar dürften die seit Jahren auf dem Silbertablett nach Athen gereichten Milliarden auf unabsehbare Zeit nicht einzutreiben sein, nun aber auch noch ein drittes Hilfspaket zu schnüren, wäre nicht nur unverantwortlich, sondern würde den Tatbestand der Untreue gegenüber den Steuerzahlern in der Euro-Zone erfüllen.“ Anderes lesen wir in der Leipziger Volkszeitung: „Es wäre an Angela Merkel … Griechenland braucht Strukturreformen, aber auch Wirtschaftsaufbauhilfe – und auf absehbare Zeit einen Schuldenschnitt. Das würde die deutschen Steuerzahler viel kosten. Die Alternative allerdings wäre nicht nur der Verlust der Hilfsmilliarden. Es wäre das Scheitern der europäischen Idee.“ Und erstaunlich realistisch sieht die Rhein-Neckar-Zeitung: „Und die Griechen scheinen zumindest zur Hälfte hinter ihrer Regierung zu stehen – weshalb auch Neuwahlen keinen Sinn machen würden.“

Wir können uns vorstellen, dass es in den Parteizentralen von CDU und CSU, SPD und Grünen heftige Debatten gibt, Parteien, die allesamt andere Erwartungen zum Ausgang des Referendums hatten. Während Frau Merkel erst mal in Paris mit ihrem Hollande „moderat“ das Ergebnis verkraften muss, schlägt die Regierungspartei CSU schon mal zu. „Wir müssen jetzt besonnen reagieren, aber klar ist: Die linken Erpresser und Volksbelüger wie Tsipras können mit ihrer schmutzigen Tour nicht durchkommen.“ CSU-Generalsekretär Scheuer muss da noch einen draufsetzen: „Diese linken Geisterfahrer haben Griechenland auf einen unverantwortlichen Crashkurs gelenkt. Varoufakis hat einen Großbrand in Europa ausgelöst und haut jetzt mit dem Zündholz in der Hand ab“.

Während der Sozialdemokrat Martin Schulz, EU-Parlamentspräsident, jetzt einen sofortigen Start eines „humanitären Hilfsprogramms“ fordert, und selbst IWF-Chefin Lagarde neue Kredite nicht ausschließt, hält der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel solche Programme für kaum vorstellbar. Er, der sich schon mit den Sätzen vernehmen ließ, dass man nicht „die überzogenen Wahlversprechen einer zum Teil kommunistischen (!) Regierung durch die deutschen Arbeitnehmer und ihre Familien bezahlen lassen“ darf, wendet sich energisch gegen die „Erpresser“ aus Athen. Tsipras und seine Regierung führen das griechische Volk auf einen Weg von bitteren Verzicht und Hoffnungslosigkeit: „Mit der Absage an die Spielregeln der Eurozone, wie sie im mehrheitlichen Nein zum Ausdruck kommt, sind Verhandlungen über milliardenschwere Programme kaum vorstellbar.“ Der griechische Regierungschef habe „letzte Brücken eingerissen, über die Europa und Griechenland sich auf einen Kompromiss zubewegen konnten“.

„Demokratie ist wichtiger

als Währungs-Arrangements“

Schließen wir mit zwei bemerkenswerten Zitaten aus US-amerikanischen Medien-Kommentaren, die im erstaunlichen Unterschied zur Kommentierung hierzulande stehen. Die Zeitung „Wall Street Journal“ schreibt: „Das Urteil der griechischen Wähler stellt Angela Merkels härteste Herausforderung dar, seitdem vor fünf Jahren die Euro-Krise ausgebrochen ist. Wie sie in den kommenden Tagen darauf reagiert, wird nicht nur das Schicksal der Euro-Zone bestimmen, sondern auch ihr eigenes Ansehen – zu Hause und im Ausland. Es ist schwer, sich ein Szenario vorstellen, aus dem sie unbeschädigt hervorgeht.“

In der „New York Times“ kommt Ökonomie-Nobelpreisträger Paul Krugman zu Wort: „Tsipras und Syriza haben einen Sieg errungen und sind gestärkt – für was auch immer kommen mag. Aber sie sind nicht die einzigen Gewinner: Auch Europa hat gewonnen. Die europäische Idee ist einem Schlag ausgewichen. Die Griechen haben sich einer widerwärtigen Kampagne widersetzt, die als Ziel hatte, das griechische Volk einzuschüchtern, die Forderungen der Gläubiger zu akzeptieren und die Regierung in Athen loszuwerden. Wenn die Griechen durch Panikmache ins rechte Glied gerückt worden wären, wäre es ein Sündenfall für Europa gewesen. Einer, der Europas Reputation für Generationen befleckt hätte. Und wenn Griechenland am Ende den Euro verlässt? Demokratie ist wichtiger als Währungs-Arrangements.“

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"Die Lachnummer der Woche", UZ vom 10. Juli 2015



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