PAG-Blaupause geplant, Berliner Polizei soll Taser bekommen

Die Lücken fest geschlossen

Von Markus Bernhardt

Unter dem Motto „Unheimlich sicher“ wollen Bürgerrechtler und Datenschützer am 24. November in Magdeburg gegen die Politik der deutschen Innenminister protestieren. Dort werden sich Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) und die Innenminister der Länder zur Innenministerkonferenz (IMK) treffen, um über ein bundesweites Polizei-Muster-Gesetz und Abschiebelager für Migranten zu beraten.

Die Demonstration „richtet sich gegen die massiven Bürger- und Menschenrechtseinschränkungen, die auf der Innenministerkonferenz 2018 geplant werden und die gesamte Bevölkerung betreffen“, stellen die Organisatoren der Proteste klar. Sie weisen darauf hin, dass eines der bei der Tagung im Rampenlicht stehenden Themen „die Schaffung eines bundesweit einheitlichen ‚Polizei-Muster-Gesetzes‘“sei. Als Blaupause dafür gelte das bayrische Polizeiaufgabengesetz (PAG), welches zu den repressivsten Polizeigesetzen bundesweit gehört und nach dessen Vorbild aktuell alle Polizeigesetze bundesweit – mit Ausnahme Thüringens – verschärft werden sollen oder bereits wurden. „Dazu gehören beispielsweise Neubewaffnungen der Landes- und Bundespolizei, weitere Einschränkungen des Demonstrationsrechtes oder die weitere Legalisierung optisch-akustischer Überwachung“, warnt auch das Magdeburger Demonstrationsbündnis. Wie diese Form der präventiven Aufstandsbekämpfung aussehen könne, lasse sich regelmäßig in und um Fußballstadien beobachten: Hier würden neue Taktiken, Techniken und Material erprobt.

Zugleich richten sich die geplanten Proteste gegen die zunehmende Hetze gegen Geflüchtete und Migranten. Das Demonstrationsbündnis warnt, dass die IMK plane, das Menschenrecht auf Asyl weiter einzuschränken. Kernthema der Tagung sei der bundesweite Aufbau von Abschiebelagern, sogenannten „Ankerzentren“. Es gehe den Herrschenden und ihren sogenannten Sicherheitsorganen „nicht um Sicherheit und Terrorismus, sondern um die Kontrolle der gesamten Gesellschaft sowie die damit verbundene Beschneidung von Grundrechten“. „Es geht letztendlich um den Schutz der kapitalistischen Grundordnung mit ihrer Elendsverwaltung, die sie ‚soziale Marktwirtschaft‘ nennen“, warnt das Bündnis.

Unterdessen schreitet die Verabschiedung der Neufassungen der Polizeigesetze der Länder voran. So will die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen noch in diesem Jahr das verschärfte Polizeigesetz vom Landtag verabschieden lassen.

Vollkommen abgelehnt werden die Verschärfungen der Polizeigesetze in allen Bundesländern durch den Bürgerrechtsverein Digitalcourage. „Trotz der niedrigsten Kriminalitätsrate seit 25 Jahren verschärfen fast alle Bundesländer ihre Polizeigesetze. In Bayern wurde das schärfste Polizeigesetz seit 1945 bereits verabschiedet, andere Länder diskutieren ähnliche Gesetze in den Landtagen oder haben Pläne angekündigt. Aufgerüstet sollen die Polizeien werden unter anderem mit Staatstrojanern, präventiven Maßnahmen, Handgranaten und Maschinengewehren“, kritisierten die Datenschützer kürzlich.

Die Berliner Landesregierung, die von SPD, Linkspartei und Grünen gebildet wird, plant, ihre Polizei künftig mit Tasern auszustatten. In den USA, wo die umstrittenen Distanzwaffen flächendeckend eingesetzt werden, kam es mehrfach zu Todesfällen, da der Beschuss mit den Metallpfeilen, die mit Drähten mit dem Taser verbunden sind und kurzzeitig eine Spannung von bis zu 50 000 Volt auf die Zielperson übertragen, für Menschen mit Herz- bzw. Kreislauferkrankungen schnell lebensbedrohlich sein können.

Torsten Akmann (SPD), Staatssekretär in der Berliner Senatsverwaltung für Inneres, behauptete erst kürzlich ganz ungeniert bei einem Polizeikongress, der in Berlin stattfand, dass der Taser der „Lückenschluss zwischen dem Reizstoffsprühgerät und der Dienstpistole“ sei. Viele Innenpolitiker und Fachleute bestreiten das. Offensichtlich um juristische Hürden bei der Einführung der Waffe zu umgehen, will der Staatssekretär Taser daher zukünftig als „Hilfsmittel der körperlichen Gewalt“ und nicht als Waffe gesetzlich klassifizieren lassen. Von der in Berlin mitregierenden Linkspartei wurden diese Pläne bisher nicht öffentlich kritisiert, was die Frage aufwirft, inwiefern die Berliner Linkspartei überhaupt ein glaubwürdiger Partner für Verteidiger der noch bestehenden Grund- und Freiheitsrechte ist. Die DKP lehnt jegliche Verschärfung der Polizeigesetze und alle Versuche einer weiteren Militarisierung der Polizei ab.

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"Die Lücken fest geschlossen", UZ vom 26. Oktober 2018



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