Redebeitrag der DKP und SDAJ Trier auf ZeroCovid-Kundgebung

Die Profitgier der Konzernbosse gefährdet die Gesundheit der Arbeiter

Liebe Freunde und Freundinnen, Genossen und Genossinnen,

ich halte heute den Redebeitrag für die SDAJ und die DKP Trier.

Es ist schwierig, in diesen Zeiten nicht dem Zynismus verfallen. Da sterben weiterhin täglich Menschen an einem Virus, der in dem Entwicklungsland China seit langer Zeit praktisch ausgerottet ist, und unsere Ministerpräsidentin lässt die Außengastronomie öffnen, aus Angst davor, dass sonst alle nach Malle fliegen würden. Es infizieren sich weiterhin Zigtausende Menschen täglich, von denen viele an Spätfolgen leiden werden, aber solange die Intensivstationen nicht zum Bersten voll und das Krankenhauspersonal nicht kurz vor dem Burnout ist, wird fleißig über Lockerungen diskutiert, die Erholung der ach so gebeutelten Exportindustrie gefeiert und mit kindlicher Freude dem Dax beim Klettern zugeschaut. Hätte das massenhafte Sterben und Leiden durch das Virus verhindert werden können? Könnte es jetzt noch verhindert werden? Die klare Antwort der Regierenden: Nein. Mehr als Impfen und die Verhinderung eines totalen Kollapses des Gesundheitssystems war und ist nicht drin. Aber hätte man nicht wenigstens mehr Impfstoff herstellen können, in dem der Patentschutz aufgehoben und die Produktion dadurch verbreitert wird? Auch hier die klare Antwort der Regierenden: Nein. Ohne Patente keine dicken Profite und ohne dicke Profite kein Anreiz Impfstoffe zu entwickeln, ja überhaupt irgendwas für die Gesellschaft zu machen. Aber könnte man nicht wenigstens die Krankenhäuser verstaatlichen und dafür sorgen, dass ausreichend Lagerkapazitäten für Schutzausrüstung geschaffen und die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten verbessert würden? Die klare Antwort der Regierenden: Nein. Ohne Konkurrenz über Lohn- und Lagerkosten keine dicken Profite und ohne dicke Profite kein Anreiz Patientinnen und Patienten gut zu versorgen, ja überhaupt irgendwas für die Gesellschaft zu machen. Aber könnte man nicht, sollte man nicht, hätte man nicht…? Ich könnte jetzt noch sehr lange so weitermachen und ich denke euch würde auch einiges einfallen, was man an der Stelle einfügen könnte. Die Antwort der Herrschenden wäre immer die gleiche: Schöne Idee, aber wer denkt denn an die Wirtschaft? Und wenn sie „Wirtschaft“ sagen, dann meinen sie Profite.

Die FDP warb im vergangenen Bundestagswahlkampf mit dem reichlich schrägen, aber knackigen Slogan „Digitalisierung first. Bedenken second“. Hätten die Parteien, die die Corona-Politik zu verantworten haben oder im Wesentlichen unterstützen, einen letzten Rest von Ehrlichkeit, müssten sie alle in den kommenden Bundestagswahlkampf mit den Slogans ziehen „Profite first. Bedenken second“, „Profite first, Gesundheitsschutz second“, „Profite first. Menschenleben second“. Aber solche Polemik bleibt einem in diesen Zeiten fast im Halse stecken. Seit mehr als einem Jahr mit ansehen zu müssen, wie ein besiegbares Virus unglaublich viel Angst, Verunsicherung, Leid und Tod verursacht, wäre schon schlimm genug, aber sich täglich von den Herrschenden erzählen lassen zu müssen, der Gesundheitsschutz hätte höchste Priorität, der Mensch stünde im Mittelpunkt, wir müssten weltweit zusammenstehen, sich all diese elenden Lügen von willfährigen Verwaltern eines Systems, das nichts anderes kennt, als das nackte Geld in den Mittelpunkt zu stellen, anhören zu müssen – das macht einfach nur wütend.

Genau diese Wut, die immer mehr Menschen verspüren und die immer weniger Menschen bereit sind, bei rechten Querdenkerpartys in einer Flut irrationaler Rechtsesoterik aufgehen zu lassen, diese berechtigte Wut aufzugreifen, das ist das große Verdienst der ZeroCovid-Kampagne. Zwei einfache Grundforderungen sind die Pfeiler dieser Initiative: Konsequente Pandemiebekämpfung und konsequente Lastenverteilung. Aber – und das verdrehen viele mehr oder weniger wohlmeinende KritikerInnen der Kampagne – es ist weder eine Bitte an die Herrschenden noch ein bloßer Wunsch, irgendjemand möge das doch mal umsetzen, was letztlich auch auf eine Bitte an die Herrschenden hinausliefe. Dieselben Regierenden, die seit einem Jahr unter Beweis stellen, dass sie Profit über Menschenleben stellen, zu bitten, einen Shutdown umzusetzen, wäre in der Tat nicht nur naiv, sondern auch gefährlich. Denn wenn der Shutdown nicht richtig umgesetzt wird, wenn nicht die arbeitende Bevölkerung, die Millionen Kleingewerbetreibenden, Gastronomen, Kunstschaffenden, SozialhilfeempfängerInnen oder Obdachlosen sofort umfassende materielle Unterstützung bekämen, dann wäre das eine Katastrophe. Wenn in den Betrieben, die aufgrund ihrer Rolle für die Grundversorgung der Bevölkerung nicht geschlossen werden könnten, nicht der Arbeitsschutz wirklich über dem Profit stünde und wirklich ausreichend Personal zur Verfügung gestellt würde, dann wäre das eine Katastrophe. Kurz gesagt: Ein Shutdown im Sinne der Herrschenden, den die Großkonzerne am Ende noch dankbar zum Abbau von Überkapazitäten nutzen würden, muss in jedem Fall verhindert werden. Aber einen solchen Shutdown fordert die Initiative auch nicht. Könnte die Schlagrichtung auch klarer sein, wird dennoch absolut deutlich, dass es sich bei ZeroCovid um keine Bitte an die Regierenden handelt, sondern eine Kampfansage.

Damit ein solidarischer, d.h. den Interessen der arbeitenden Bevölkerung entsprechender Shutdown real gelingen kann, ist eine massive Organisationsleistung aller fortschrittlichen Kräfte, insbesondere der arbeitenden Menschen in diesem Land notwendig. Wir werden mehr Personal im Gesundheitsbereich nicht geschenkt bekommen. Wir werden eine solidarische Produktion und Verteilung von Impfstoffen, die nicht wie der Friedensnobelpreisträger EU ärmere Länder sich selbst überlässt, nicht geschenkt bekommen. Wir werden die Schließung der Betriebe bei voller Lohnfortzahlung nicht geschenkt bekommen und wir werden auch keine Vermögensabgaben der Reichen geschenkt bekommen. Wir werden um jeden einzelnen dieser Punkte kämpfen müssen, um ihre Einführung, um ihre Durchführung und um ihre notwendige Weiterentwicklung. „Der Sieg der Vernunft kann nur der Sieg der Vernünftigen sein“, war das auf einem Zitat Bertolt Brechts basierende Motto der diesjährigen Rosa-Luxemburg-Konferenz. Hinzufügen ließe sich: Der Sieg der Vernünftigen kann nur der Sieg der organisierten Vernünftigen sein. Ohne Organisation kein Kampf, ohne Kampf keine Politik im Sinne der Masse der Bevölkerung, kein solidarischer Shutdown.

Dass Jörg Hofmann, Vorsitzender der IG Metall, der größten Gewerkschaft dieses Landes, der größten Einzelgewerkschaft der Welt, die Schließung von Betrieben ablehnt, weil es gute Infektionsschutzkonzepte gäbe, letztlich aber vermutlich, weil er eine Arbeitsplatzgarantie und volle Lohnfortzahlung nicht für realistisch hält, ist falsch, angesichts der aktuellen Kräfteverhältnisse aber nicht völlig aus der Luft gegriffen. Unsere Reaktion hierauf kann nur sein, zu zeigen, dass die fortschrittlichen, die antikapitalistischen Kräfte in diesem Land in der Lage sind, Strukturen aufzubauen, die die Durchsetzung fortschrittlicher Politik ermöglichen. Wenn wir das schaffen, dann können wir vor die Gewerkschaftsführung treten und sagen: nichts Anderes als ein konsequenter Shutdown aller nicht für die Versorgung der Bevölkerung notwendigen Betriebe ist im Interesse eurer Mitglieder. Nichts Anderes als sich das Geld bei denen zu holen, die sich seit Jahren an unserer Arbeit dumm und dämlich verdienen, ist im Interesse eurer Mitglieder. Nichts Anderes als ZeroCovid ist im Interesse eurer Mitglieder. Und wenn ihr trotzdem gegen die Schließung der Autoproduktion, der Flugzeugproduktion oder gar der Rüstungsproduktion seid, dann vertretet ihr nicht das Interesse eurer Mitglieder. Nicht die Schließung der Betriebe gefährdet die Existenz der Arbeiter und Arbeiterinnen, sondern Profitgier der Konzernbosse gefährdet die Existenz und die Gesundheit der Arbeiter und Arbeiterinnen!

Liebe Freunde und Freundinnen, was wir fordern klingt wie das Selbstverständlichste auf der Welt: dass sich die Bekämpfung einer tödlichen Krankheit und ein solidarisches Miteinander nicht ausschließen. Aber so vernünftig die Forderung nach einem solidarischen Shutdown ist, so schwer ist der Weg dorthin. Also bleibt gesund, stürzt euch, wo immer es geht, in Diskussionen und vor allem: organisiert euch!

Vielen Dank.



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