Bundesländer öffnen Schulen – auch um die Interessen der Wirtschaft zu bedienen

Trübe Aussichten

Ab nächsten Montag können viele Kinder und Jugendliche trotz anhaltendem Lockdown wieder zur Schule gehen. Doch die Bundesländer öffnen die Schulen nach jeweils eigenen Plänen. In Sachsen zum Beispiel sind die Grund- und Förderschulen bereits seit vergangenem Montag wieder für „eingeschränkten Regelunterricht“ in festen Gruppen geöffnet. Die Präsenzpflicht ist zwar ausgesetzt, allerdings schickten 97 Prozent der Eltern ihre Kinder zur Schule, berichtete die „FAZ“. Andere Länder gehen ab dem 22. Februar vom Distanzunterricht zu Wechsel- oder Präsenzunterricht über – zumindest für die unteren Klassenstufen.

Bei der Schulöffnung geht es nicht nur darum, trotz Pandemie ein Mindestmaß an Bildung für Kinder und Jugendliche zu gewährleisten. Vielmehr geht es um Auslese künftiger Arbeitskräfte, Machtkampf zwischen regierenden Politikern und das Sichern von Konzerninteressen. Die Bildungspolitiker legen großen Wert darauf, die Abschlussprüfungen zu sichern, die für die Selektion für den Arbeitsmarkt nötig sind. Bereits seit Mitte Januar findet deshalb in den meisten Ländern für die Abschlussklassen wieder Präsenzunterricht statt – also ausgerechnet für Schülerinnen und Schüler, die mit Home-Schooling verhältnismäßig gut zurechtkommen. Kinder und Jugendliche aus ärmeren Familien und vor allem jüngere Schülerinnen und Schüler haben weitaus größere Probleme mit dem Distanzunterricht; Grundschulkinder, die schlecht Deutsch sprechen, werden oft gar nicht erreicht.

Für den Gesundheitsschutz von Lehrerinnen, Lehrern und Schülern wurde in den letzten Monaten wenig getan. Um neue Infektionen mit dem Coronavirus einzudämmen, setzen einige Länder nun auf Schnell- und Selbsttests. Die Organisation scheint allerdings ähnlich chaotisch wie beim Impfen. Der Berliner Senat hat zum Beispiel 1,5 Millionen Tests gekauft – allerdings sind sie bisher nicht zugelassen, um sie ohne medizinische Ausbildung anzuwenden.

Die Vorsitzende der Bildungsgewerkschaft GEW, Marlis Tepe, kritisierte, dass die Bundesregierung bei den Beratungen mit den Ministerpräsidenten in der vergangenen Woche „vor den Ländern kapituliert“ habe. Der Infektionsschutz der Lehrenden und Lernenden sei nicht ausreichend gewährleistet – wer die Schulen öffnen wolle, müsse die Voraussetzungen dafür schaffen.

Die Deutsche Kommunistische Partei (DKP) nennt die Corona-Politik der Bundes- und Landesregierungen in einer Stellungnahme „Chaos mit System“. Seit vergangenem Sommer sei klar gewesen, dass mit einer zweiten Welle zu rechnen ist. Es habe also viel Zeit gegeben, zu handeln. Aber bis heute gebe es kaum Luftfilter in den Schulen, statt-dessen wiederholt den Rat, die Fenster zu öffnen. Noch immer säßen zu große Klassen in zu kleinen Räumen, fehle Technik für das Home-Schooling oder die Lehrer seien dafür nicht ausreichend geschult. „Das Abhängen einer ganzen Generation von Kindern und Jugendlichen wird billigend in Kauf genommen“, so die DKP. Besonders betroffen seien Kinder aus armen Familien, die schon vom Bildungssystem im Normalzustand stark benachteiligt seien. Die DKP fordert ein „Konjunkturpaket, das den Investitions- und Reparaturstau in Schulen und Kindergärten schnellstmöglich beseitigt“.

In den Reihen der Schülerinnen und Schüler regt sich Widerstand gegen das von oben organisierte Bildungschaos. In mehreren Bundesländern haben Abiturjahrgänge den Präsenzunterricht bereits bestreikt mit dem Hinweis, der Infektionsschutz sei wichtiger als Abschlussnoten nach dem üblichen Verfahren. Für den 26. Februar ruft das Bündnis „gerechtebildung.org“ zu einem bundesweiten Aktionstag auf. Das Bündnis kritisiert die mangelnden Hygienemaßnahmen im Präsenzunterricht, die ungleichen Bedingungen im Home-Schooling und die Durchführung von Prüfungen trotz mangelnder Vorbereitung. Auch die SDAJ ruft zur Teilnahme an den Aktionen auf.

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"Trübe Aussichten", UZ vom 19. Februar 2021



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