Syriza setzt weitere EU-Vorgaben um

Drei Ohrfeigen

Von Uwe Koopmann

Zum 1. Mai wurden zwei neue Ohrfeigen von der EU an die griechische Arbeiterklasse ausgeteilt: Die Renten sollen erneut gekürzt werden, dieses Mal um 18 Prozent ab 2019. Und die zweite Ohrfeige: Der jährliche Steuerfreibetrag wird von 8 636 Euro auf 5 681 gesenkt. Aber „erst“ ab 2020. Um das Bild abzurunden, wird es einen erneuten Eingriff in die Arbeitsgesetzgebung geben, der Kündigungen erleichtern soll. Des weiteren stehen Privatisierungen an. Die griechische Bourgeoisie ist von derlei Maßnahmen kaum betroffen – und wenn, dann positiv.

Hierbei handelt es sich insgesamt um Vorgaben der EU, die gesetzgeberische Zustimmung erfolgt am 17. Mai aber durch die Syriza/ANEL-Regierung durch Mehrheitsbeschluss im Parlament. Gemeinsam umgesetzt wird das Vorhaben dann abschließend am 22. Mai, denn dann soll es die nächste Tranche an „Finanzhilfen“ (Drittes „Hilfspaket“) aus Brüssel geben.

Die „Finanzhilfen“ sind ein Scheingeschäft, denn die Staatsschulden werden dadurch gegenüber der EU, der EZB und dem ESM nicht abgebaut, sondern nur verlagert und bestenfalls gestreckt. Das „Spar“paket umfasst 3,6 bis 3,8 Milliarden Euro. Die Kredite, die zurückgezahlt werden sollen, machen mehr als sieben Milliarden Euro aus.

In der Presse finden sich unterschiedliche Bewertungen, denn die „Geldgeber“ haben nach wie vor verschiedene Positionen. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) möchte Athen an der kurzen Leine halten, SPD-Vertreter in der Bundesregierung halten unwirksam dagegen. Der DGB warnt z. B. vor dem Ausverkauf der Wasserversorgung und vor einer Aufweichung des Streikrechts. „Die Lohnkürzungen und die Zerschlagung der Tarifsysteme müssen rückgängig gemacht werden. Das muss auch Schäuble endlich einsehen“, so der DGB. Diese „Einsicht“ dürfte sich bei Schäuble kaum einstellen – sie entspricht nicht den Interessen des deutschen Finanzkapitals.

Griechenlands Finanzminister Euklid Tsakalotos (Syriza) betrachtet die Verhandlungen dagegen als geglückt. Und IWF-Chefin Christine Lagarde setzt auf Entspannung durch längere Laufzeiten der Kredite, andere Zinskonditionen und hat dennoch Zweifel, ob die Schulden beglichen werden können. Der „Focus“ titelt pessimistisch zusammenfassend: „Athen kann niemals alle Schulden zurückzahlen …“ Angedacht sind dafür bisher 40 Jahre.

Ministerpräsident Alexis Tsipras (Syriza) verpasst dem Volk mit seiner Zustimmung zu den Vorgaben der EU eine zusätzliche dritte Ohrfeige. Es ist ein Irrtum zu glauben, dass die Bürger das Referendum vom 5. Juli 2015 vergessen haben, in dem sie mit überwältigender Mehrheit für ein Nein („Oxi“) und damit gegen die Brüsseler Pläne und gegen eine mögliche Zustimmung dazu durch die eigene Syriza/ANEL-Regierung votierten. Tsipras macht das Gegenteil davon. Die Wut darüber wurde bei der machtvollen Demonstration der Gewerkschaftsfront PAME am 1. Mai in Athen und 77 anderen Städten deutlich.

Am 1. Mai wurde bereits auf einen 24-stündigen Generalstreik für den öffentlichen und privaten Sektor am 17. Mai orientiert. Auftakt der Mai-Kundgebung war die Aufführung der Szene „Arbeitsbeschaffung“ aus Bertolt Brechts „Furcht und Elend des Dritten Reichs“. Giorgos Perros (PAME-Sekretariat) kritisierte den Opportunismus von Syriza. Der anschließende Demonstrationszug führte vorbei am Hilton-Hotel, wo Vertreter der Regierung mit dem Geldgeber-Quartett „Verhandlungen“ führten.

KKE-Vorsitzender Dimitris Koutsoumbas, der an der PAME-Kundgebung in Athen teilnahm, erklärte vor den Medienvertretern: „Der Erste Mai 2017 soll der wirkliche Auftakt neuer, großer und dynamischer Kämpfe der Arbeiterklasse und des Volkes sein, für die Wiederformierung der Bewegung, damit wir all das, was uns während der Krise gestohlen wurde, wiederbekommen; um alle arbeiterfeindlichen und volksfeindlichen Gesetze abzuschaffen, unser Land von den Räuberallianzen EU und NATO loszulösen, die Schulden unilateral zu streichen und den Weg der Vergesellschaftung der Organisation der Produktion, der Dienstleistungen, der gesamten Wirtschaft mit einem zentral erarbeiteten wissenschaftlichen Plan zu ebnen.“

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"Drei Ohrfeigen", UZ vom 12. Mai 2017



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