Dülmener Friedensinitiative besucht US-Army

Werner Sarbok im Gespräch mit Michael Stiels-Glenn

UZ: In der vergangenen Woche haben Mitglieder der ‚Friedensfreunde Dülmen‘ den im Aufbau befindlichen Militärstützpunkt der USA in den Dülmener „Tower Barracks“ besichtigt. (siehe Foto) Wie kam es zu dieser ja nicht ganz alltäglichen Ortserkundung?

Michael Stiels-Glenn: Angefangen hat die Geschichte damit, dass wir in Briefen an die Münsterländer Bundestagsabgeordneten und die Dülmener Bürgermeisterin Lisa Stremlau (SPD) besorgt Fragen zu diesem Waffendepot stellten. Da die Bürgermeisterin sich durch unsere Fragen bedrängt fühlte, schlug sie vor, dass wir uns doch direkt an die US-Army wenden sollten. Und das machten wir dann. Es waren einige Briefe an die US-Army in Wiesbaden nötig mit konkreten Fragen, was die Stationierung für die Stadt Dülmen und ihre Bürger bedeutet. Die US-Army gab uns schließlich einige Auskünfte – aber die warfen weitere Fragen auf und so schrieben wir erneut. Dass Friedensaktivisten sich direkt an das Militär wenden, geschieht nicht häufig; wir hatten nicht damit gerechnet, dass die US-Army uns antwortete und der gerade gegründeten Initiative schließlich anbot, sich im Depot ein eigenes Bild von der derzeitigen Lage zu machen. Auch das ist nach unserer Kenntnis bisher bundesweit nicht üblich.

UZ: Habt ihr dort Informationen bekommen oder nur PR-Sprüche?

Michael Stiels-Glenn: Die US-Army verlangte, dass unsere sechsköpfige Delegation ihre Personalien detailliert angab. Man erwartete uns mit Mitarbeitern des Depots, aber auch mit einem Verbindungsoffizier aus dem Hauptquartier in Wiesbaden sowie einem eigenen Presseteam. Die Gesprächsatmosphäre war sachlich und freundlich bei Akzeptanz für die unterschiedlichen Sichtweisen. Unsere Initiative ging davon aus, dass wir keine politischen Debatten mit den Militärs führen, sondern uns vor Ort informieren lassen. Dann wurden wir durch das noch weitgehende leere Depot gefahren, in dem erst 15 Prozent der geplanten Militärausrüstung gelagert sind. Gefüllt und einsatzbereit soll das Depot erst 2020 sein.

Der Anschluss des eigenen Güterbahnhofs ans Gleisnetz wird bald freigegeben. Dann beginnt die Lieferung des Materials per Bahn. Die Vertreter der US-Army haben natürlich altbekannte PR-Sprüche vom Nutzen des Stützpunktes gebracht – Kaufkraftsteigerung, Arbeitsplatzsicherung etc.- und „Friedenssicherung durch Abschreckung“. Die machen ihren Job, und wir unsere Friedensarbeit.

UZ: Was soll in Dülmen gelagert werden? Welche Bedeutung hat der Stützpunkt für die NATO-Strategie?

Michael Stiels-Glenn: Im Dülmen Army Depot, das von den Niederlanden aus geleitet wird, befindet sich später Ausrüstung für eine US-Brigade mit etwa 4 000 Soldaten, so ein komplettes Feldlazarett (Container, OPs, Stromaggregate, Wassertanks, usw.), gepanzerte LKW und Geländefahrzeuge, Bergepanzer, aber auch zwei verschiedene Typen von Raketenwerfern für Boden-Luft-Raketen und Panzerhaubitzen. Waffen und Ausrüstung werden von bis zu 230 Zivilangestellten in ständiger Einsatzbereitschaft gehalten. Im Krisenfall wären alle Waffen binnen 96 Stunden einsatzbereit, auf die Bahn verladen und in den Osten transportiert, wo eingeflogene US-Kampfverbände die Ausrüstung übernehmen. Für ein Munitionslager gäbe es keinerlei bauliche Voraussetzungen. Kampfpanzer würden ab Oktober 2017 im niederländischen Eygelshoven (nahe der deutschen Stadt Herzogenrath und dem Militärflugplatz Geilenkirchen) stationiert; ein dritter Stützpunkt wird weitere 50 km westlich im belgischen Ort Zutendaal eingerichtet.

UZ: Hat euch der Besuch in eurem Engagement irgendwie beeindruckt? Bleibt für die Zukunft ausgeschlossen, dass dort Waffen und Munition gelagert werden und kann die demokratische Öffentlichkeit das überhaupt kontrollieren?

Michael Stiels-Glenn: Wir Friedensfreunde Dülmen suchen das Gespräch mit allen politischen Kräften, auch mit Militärs. Uns war früh klar, dass das Waffendepot in Dülmen Teil der Aufrüstung der NATO mit modernsten Waffen ist. Wir halten diese Drohkulissen für gefährlich und jede Modernisierung erhöht das Risiko, weil die Vorwarnzeiten kürzer werden. Unser Ziel sind politische Lösungen – die Aufnahme von Gesprächen mit Russland ohne Vorbedingungen, gegenseitige Kontrollbesuche und Inspektionen, Verhandlungen und Verträge zur Rüstungskontrolle und –begrenzung: Alles das hatten wir bis zum Anfang der 1990er Jahre bereits einmal. Natürlich werden hier nicht nur ein Lazarett, sondern Waffensysteme und kriegswichtige Ausrüstung gelagert – es handelt sich nicht um eine Rote-Kreuz-Station. Wir werden auch die Nachbarn und Anwohner informieren und sie bitten, uns Beobachtungen mitzuteilen.

UZ: Was sind eure nächsten Aktionen?

Michael Stiels-Glenn: Am 9. August haben wir die Friedensfahrradtour der DFG/VK in Dülmen zu Gast und organisieren hier eine kleine Kundgebung. Die Bürgermeisterin ist mittlerweile bereit, der Initiative „Bürgermeister für den Frieden“ beizutreten. Sie wird die Friedenstour der DFG/VK begrüßen. Die Friedensfreunde werden die Jahrestage der Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki nutzen, um auf das Leid der Zivilbevölkerung hinzuweisen. Kurz danach werden meine Frau und ich per Fahrrad zu den anderen US-Depots in Eygelshoven und Zutendaal aufbrechen, um uns vor Ort zu informieren und vielleicht sogar Kontakte für eine internationale Zusammenarbeit zur Abschaffung dieser Waffendepots zu suchen. Kurze Zeit später werden wir bei der Aktionswoche „Stopp Ramstein“ mitmachen, weil Dülmen ja nun auch US-Stützpunkt ist und wir den Erfahrungsaustausch mit Friedensinitiativen anderer Stützpunkt-Orte suchen.

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"Dülmener Friedensinitiative besucht US-Army", UZ vom 21. Juli 2017



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