US-Geheimdienste liefern keine Beweise, pflegen aber ein klares Feindbild – US Army verlegt Panzerbrigade nach Osteuropa

Panzer gegen Russenhacker

Von Klaus Wagener

Der Friedensnobelpreisträger Barack Obama wollte sich wohl mit einer klaren Botschaft verabschieden: „Wladimir Putin ist nicht in unserem Team.“ Zuvor waren auf Anweisung des Weißen Hauses 35 russische Diplomaten mit ihren Familien aus den USA ausgewiesen und Sanktionen gegen russische Einrichtungen und Personen verhängt worden. Die Obama-Administration möchte noch einmal einen nationalen Schulterschluss gegen Moskau herstellen.

Nach der amtlichen US-Erzählung der US-Geheimdienste haben russische Hacker (mit Künstlernamen wie „Fancy Bear“ oder „Cosy Bear“) auf Anweisung von Präsident Putin den US-amerikanischen Wahlkampf zugunsten des gewählten Präsidenten Trump beeinflusst. Ziel sei es gewesen, die Kandidatin Hillary Clinton herabzusetzen und ihre Wählbarkeit und mögliche Präsidentschaft zu beschädigen. Dazu habe Russland Dokumente des Democratic National Committee (DNC) gehackt und sie an Wikileaks weitergeleitet. Darüber hinaus habe Russland sich mit Desinformationen und Falschmeldungen, die über die „sozialen Medien“ verbreitet wurden, in den Wahlkampf eingemischt.

Die Anschuldigungen, so abenteuerlich sie auch angesichts der globalen Kriegs-, Regime-Change- und Spionagepraxis des US-Imperiums erscheinen mögen, könnten weitreichende Konsequenzen haben. Sie haben das Potential, nicht nur die Legitimität der Präsidentschaft Donald Trumps in Frage zu stellen, sondern auch eine neue, noch aggressivere Phase in der seit etwa 10 Jahren sukzessive verschärften Konfrontationsstrategie gegen die Atommacht Russland einzuleiten.

Aktuell verlegt die US Army eine komplette Panzerbrigade (Third Armored Brigade) nach Osteuropa. Die Verlegung erfolgt im Zusammenhang mit der European Reassurrance Initiative (ERI), die 2014 von der Obama-Administration gestartet wurde. Mit ERI soll ein milliardenteurer Ausbau der militärischen Infrastruktur gestartet werden. Stützpunkte, Flugplätze, Militärlager u. ä., die der Ausrüstung und dem operativen Einsatz einer kompletten US-Armeedivision (15000–20000 Soldaten) in Osteuropa dienen. In diese provokative Militärdemonstration vor der Haustür Russlands ist natürlich auch die Bundeswehr, im Kontext des „Host Nation Support“, vor allem logistisch eingebunden. ERI ist ein auf Langfristigkeit und Kontinuität angelegtes geostrategisches Containment-Konzept und keine momentane Reaktion auf aktuelle Handlungen der russischen Führung. Ihre „Plausibilität“ bezieht diese – seit den Kalte-Kriegs-Zeiten einzigartige – militärische Drohkulisse aus einer angenommenen russischen Bedrohung Osteuropas bzw. aus der unterstellten Absicht zur Wiederherstellung/Rückeroberung der Gebiete der ehemaligen Sowjetunion.

In diesem Kontext war die Spannung natürlich hoch, ob die US-Dienste vor dem Verteidigungsausschuss des US-Senats die „Smoking Gun“, also den eindeutigen Beweis zu präsentieren imstande sein würden. Die Sitzung über „ausländische Cyberbedrohungen“ wurde vom Russland-Falken John McCain geleitet. DNI-Direktor James Clapper und NSA-Chef Michael Rogers hatten also ein Heimspiel.

Clapper ist nicht gerade ein unbeschriebenes Blatt. Im Mai 2013 belog er den Senatsausschuss in einer schwerwiegenden Frage, indem er bestritt, dass die NSA Daten amerikanischer Bürger sammelte. Trotzdem beließ Obama ihn im Amt.

Auch die Anhörung am 5. Januar war eine ausgesprochene Pleite. Außer weiteren Anschuldigungen, Russland sei „eine existentielle Bedrohung“ für die USA, und Verdächtigungen, russische Akteure hätten „gefälschte Informationen in Soziale Medien, News-Feeds und Websites eingebracht, um Zweifel und Verwirrung zu stiften, das Vertrauen in demokratische Institutionen zu untergraben und zu versuchen, westliche Regierungen zu schwächen, indem sie als inhärent korrupt und dysfunktional dargestellt werden“, hatten die mit weitem Abstand größten Spionage- und Subversionsorganisationen des Globus an harten Fakten nichts anzubieten.

Das hinderte den Ausschuss natürlich nicht daran, mit markigen Drohungen den Konflikt und damit die propagandistische wie materielle Aufrüstung weiter anzuheizen. Es sei „Zeit, keine Kieselsteine mehr in Richtung Russland zu werfen, sondern Felsen“, gab der republikanische Hardliner Lindsey Graham zum Besten. McCain versuchte sogar – allerdings ohne größeren Erfolg –, die „russischen Cyberattacken“ als „kriegerischen Akt“ einstufen zu lassen. Dieser Erschaffung eines Kriegsvorwands verweigerte sich Clapper aber: Das sei Sache der Politik.

Der zukünftigen Administration Trump dürfte es sehr schwer fallen, sich dem Druck der Russland-Falken im Senat und im militärisch-industriellen Komplex (MIK) zu entziehen – unabhängig davon, dass ihre eigene Zielstellung möglicherweise ist, sich stärker auf eine Eindämmung Chinas zu konzentrieren. Wie schon in der Vergangenheit wird es den eigentlichen operativen Machtzentren der USA, den Geheimdiensten und dem Pentagon, kaum schwer fallen, mit der entsprechenden „Faktenproduktion“ die Stimmung über die Medien so anzuheizen, dass das Gefühl entsteht, es ginge nicht mehr anders. Durch die Befreiung Aleppos ist Wladimir Putin nicht gerade zum Darling des MIK geworden.

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"Panzer gegen Russenhacker", UZ vom 13. Januar 2017



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